Auf Zulu heißt er „Andile“

Seit vier Monaten ist Andreas Rieger in Südafrika. Als Zivi betreut der 19-Jährige behinderte Kinder in einer Schule. Das Leben in seiner neuen Heimat ist anders und aufregend.

Krefeld. Der Regen prasselt auf das Wellblech-Dach der kleinen Hütte im südafrikanischen Harding. Andreas Rieger liegt dick eingemummelt in seinem blauen Daunen-Schlafsack und lauscht dem Trommeln, das die Tropfen auf dem Dach seines neuen Zuhauses erzeugen. "Mein Herz hat gerast, als uns die Kinder vorgestellt wurden. Ich fühlte mich wie vor der mündlichen Abiturprüfung", schreibt der 19-Jährige in seinem ersten Erfahrungsbericht, den er Freunden und Familie aus seiner neuen Heimat schickt.

Vor vier Monaten hat der Oppumer Abiturient seinen Zivildienst in einer Schule für behinderte Kinder aufgenommen. Als Tourist war er schon oft auf dem "schwarzen Kontinent" unterwegs. Und jetzt soll er hier leben und arbeiten? "Doch es fühlte sich sofort wunderbar an, auf dem Schulgelände von 20 Kindern umringt zu werden.

Mit strahlenden Gesichtern fragten sie mich nach meinem Namen und Alter, wo ich herkomme und ob ich Fußball möge. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viele Schreie nach Aufmerksamkeit erlebt. Nach meinem ersten Schultag war ich mir sicher: Hier bin ich richtig!"

Für einen so herzlichen Start in das Freiwilligen-Jahr hat sich der Aufwand im Vorfeld sicher gelohnt. Um die 12 000 Euro für den Auslandseinsatz über die Organisation "Weltweite Initiative", zusammen zu bekommen, hatte Andreas unter anderem ein Benefizkonzert in der Oppumer Auferstehungskirche organisiert. "Unglaubliche 2030 Euro sind dabei zusammen gekommen", freute sich der junge Mann über das Geschenk, das ihm die Krefelder zum Abschied bereitet haben.

Nach ein paar Heimweh-Attacken und dem ersten Kulturschock ist Andile - so haben ihn die Kinder in der Bantusprache Zulu getauft - inzwischen angekommen in Südafrika. Er veranstaltet Workshops, Kartenspiel-Nachmittage, Rollstuhl-Basketball- und Fußball-Turniere für die Schulkinder, die entweder das Down-Syndrom oder körperliche Behinderungen haben wie zu kurze Arme und Beine oder verformte Händen und Füße. Aber vor allem singt und musiziert er mit ihnen - was ihm selbst sicher am meisten Spaß bereitet.

Heiß begehrt ist seine Melodika. Die Nachbarskinder tröten unheimlich gern auf dem Instrument herum, das er aus Deutschland mitgebracht hat. "Das machen sie genauso ungefragt wie sie in unsere Hütte spazieren, sich an meinen Bonbons bedienen oder mein leckeres Maquinia-Gebäck in vier ungleich große Stücke zerreißen und mir das kleinste davon übrig lassen", schreibt Andreas im Online-Tagebuch.

So lernen Freunde und Familie auch seine spartanische Unterkunft kennen, in der warmes Wasser Luxus ist. Die Hütte teilt Andreas mit seiner Mitbewohnerin Bengisu, zwei kaputten Fahrrädern und ein paar haarigen Spinnen. "Wenn ich mich an mein wirkliches Zuhause erinnere, fällt mir auf, wie gut ich es doch in meiner Heimat habe.

Und ich stelle in erschreckender Weise fest, wie wenig man braucht, um glücklich zu sein", sagt er und denkt dabei vielleicht auch ganz kurz auch an seine Kamera, die die Kinder "geschrottet" haben, und sein Handy, das den Geist aufgegeben hat.

Den Kontakt nach Deutschland hält er über das Internet. Doch auch das ist bei den schlechten Telefonverbindungen auf dem Land eine echte Geduldsprobe. Umso mehr wird er sich freuen, dass ihn seine Familie zu Weihnachten besuchen wird. Überraschen wird er sie mit einer neuen Frisur: für 80 Cent, auf einem Plastikstuhl an der Straße geschnitten - ein weiteres afrikanisches Abenteuer für den jungen Oppumer.