Laienspielgruppe Weihnachtsmärchen in Uerdingen: Die Frau hinter der Kulisse

Das Weihnachtsmärchen der Uerdinger Laienspieler feiert Ende des Monats Premiere — nicht ohne Helga Landwehrs Kostüme.

Foto: Lothar Strücken

Krefeld. Dunkel ist es und stickig. Fell und Staub kitzeln in der Nase; die Augen brauchen eine Weile, um sich an das eingeschränkte Sichtfeld zu gewöhnen. Durch die schmale Öffnung sind einige beeindruckend große Reißzähne zu sehen, die Zeit hat sie gelb verfärbt — und das eigene Spiegelbild: ein ungewohnter Anblick, in diesem haarigen, übergroßen Bärenkostüm . . .

Helga Landwehr lacht. „Die Beine sind viel zu lang! Wenn Sie damit auf die Bühne wollten, müssten wir da noch mal ’ran.“ Auf der Bühne wird in dem warmen Fell-Overall zum Glück ein größerer Schauspieler der Laienspielgruppe Bayer Uerdingen stehen. Die Proben für das diesjährige Weihnachtsmärchen — „Schneeweißchen und Rosenrot“ — haben längst begonnen. Und damit auch Helga Landwehrs Arbeit hinter den Kulissen.

„Mützen“, „Kragenmanschetten“, „Federn“, „Schürzen“, „Spitzen“, „Strumpfhosen“ steht auf den sorgfältig beschrifteten Kartons, die sich in Regalen bis an die Decke stapeln. Samt und Seide, Taft und Tüll. Das Reich der 69-jährigen Uerdingerin in der alten Bayer-Werkshalle ist eine Schatztruhe für Karnevalsfans und Verkleidungsverrückte. Da hängen Pailletten- und Glitzerkleider für Eis- und andere Prinzessinnen neben mit Flicken versehenen Zwergenkostümen, einem samtroten Königsmantel mit weißem Fellbesatz und einer mit Spitze besetzten Priesterkutte. Und es gibt Schuhe. Mit Absatz und ohne, Plateausohlen, glitzernd oder mit Stoff überzogen.

Helga Landwehrs ganzer Stolz aber ist ein Traum aus roten Rosen: Aus dunkelrotem Krawattenstoff hat die 69-Jährige das Petticoat mit Puffärmeln geschneidert, das Rosenrot bei der Premiere des Weihnachtsmärchens einen glanzvollen Auftritt bescheren soll. Zwölf Stunden Arbeit hat sie allein in dieses Kleid gesteckt, langweilig wird es ihr an der Nähmaschine aber nicht. „Ich liebe Stoffe.“ Zwischen 200 und 300 habe sie zuhause, „der Keller ist voll damit — und inzwischen auch die Badewanne“. Die Schneiderei sei eben ihre Leidenschaft, sagt die 69-Jährige achselzuckend. „Bevor ich es für die Laienspielgruppe gemacht habe, habe ich Blazer, Hochzeitskleider und Karnevalskostüme genäht.“ Und dabei ist natürlich Kreativität gefragt: „Manchmal muss man aus drei Schnitten einen machen. Das Variieren und das Mitdenken ist das Schöne daran.“

Was tun, wenn die Bürgermeisterin im Stück plötzlich fünf Kilo mehr auf den Rippen hat, ihre Tochter zu klein für das schicke, mit Perlen bestickte Festkleid aus königsblauem Satin ist? Und wie schafft man es, dass die Prinzessin auf der Bühne unbemerkt in ihrem Kleid verschwinden kann? Helga Landwehr findet an der Nähmaschine für alle kleineren und größeren Probleme eine Lösung. „Aus alt mach’ neu — oder anders“ heißt die häufig, sagt sie.

Dabei könne es auch mal stressig werden. Bis zur Premiere am 26. November verbringen sie und die anderen Kostümschneiderinnen, die Männer von der Requisite und etwa 20 Laienschauspieler zwischen sechs und 70 Jahren rund um Regisseur Matthias Oelrich jetzt jedes Wochenende im Baytreff. „Die Zeit braucht man auch.“

Nach dem Märchen der Gebrüder Grimm hat Matthias Oelrich, der als ehemaliger Schauspieler am Theater Krefeld ein halbes Jahrhundert Bühnenerfahrung hat, die Geschichte der Schwestern Schneeweißchen und Rosenrot, dem verwunschenen Bären und einem garstigen Zwerg umgeschrieben und auf die Uerdinger Laienschauspieler zugeschnitten.

Auch wenn noch viel zu tun ist: Helga Landwehr freut sich schon jetzt auf die Premiere: „Der schönste Moment ist doch der, an dem ich die ganzen Kostüme endlich auf der Bühne sehe.“