Stadttheater Krefeld Parallelen zum Leben unter Corona-Bedingungen

Krefeld · Das Stadttheater bringt Samuel Becketts „Endspiel“ auf die Bühne. Es wirkt in Zeiten der Pandemie seltsam aktuell.

Regisseur Matthias Gehrt und Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek im Lebensort der Eltern des Hauptdarstellers Hamm – Mülltonnen.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Natürlich hat Samuel Beckett keine Vorahnung gehabt, als er 1957 sein Stück „Endspiel“ (Fin de Partie) auf die Weltbühne brachte. Was da im fernen Jahre 2020 auf die Menschheit in Form einer Pandemie einprasseln würde, konnte der irische Schriftsteller im Schaffen der Nachkriegszeit nicht absehen.

Wohl aber scheint es, als würde sein zweiter Welterfolg, der 63 Jahre zurückliegt, nun von der Gegenwart irgendwie eingeholt. Das Werk des 1989 verstorbenen Nobelpreisträgers wird auf einmal wieder aktuell.

Parallelen zum Leben unter Corona-Bedingungen blitzen auf, so sieht es auch Regisseur Matthias Gehrt, der das Stück nun im Stadttheater aufführen lässt, sofern die sich ständig ändernden Corona-Bestimmungen einen Theater-Betrieb am Sonntag, 1. November, überhaupt zulassen.

Ist Becketts absurd komisches Endzeitspiel nach einer weltweiten Katastrophe das Stück der Stunde in Pandemiezeiten? Das fragen sich die Theatermacher in ihrer Ankündigung. Ein grotesker Totentanz, eine Endzeitstimmung, düster und komisch zugleich.

Das zeichnet „Endspiel“ aus. Letzte Vertreter der Menschheit führen darin ein Leben in Abgeschiedenheit und ohne Kontakt mehr zur Außenwelt, die im Stück keine erkennbare Verfasstheit mehr hat. In einem verliesähnlichen Raum vegetieren der blinde und gelähmte Hamm und sein Diener Clov vor sich hin, wie eingebunkert und ohne Aussicht auf Erlösung.

Wer will, kann hier eine notgedrungene Abkehr  von der Welt da draußen erkennen. Menschen, vielleicht sogar einer Risikogruppe angehörend, die sich aus Schutz vor dem Coronavirus  zurückziehen und ihre Eingeengtheit zunehmend spüren. Hamm lebt sein tyrannisches Wesen aus. Als er seinen Diener auffordert, ihn zu küssen oder zu berühren, verweigert dieser jegliche körperliche Nähe.

Die geltenden Abstandsregeln stoßen einem dazu in den Sinn. Hamms Eltern Negg und Nell leben derweil beinlos in zwei Mülltonnen. Sie bilden den Gegenpart zu den beiden Hauptfiguren im Verlies. Das alternde Paar verkörpert das allmähliche Verblassen einer alten Liebe.

Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek hat für die beiden Szenerien dafür eine Art Doppelbödigkeit entworfen. Das Ende wirkt unausweichlich. Ernsthaftigkeit erscheint in diesem Zusammenhang absurd. „Beckett ist ein Humorist der Ausweglosigkeit.

Die Figuren wissen, dass es ausweglos ist. Sie wollen aber dennoch ihr Leben leben“, sagt Dramaturg Thomas Blockhaus. „Es ist ein Stück Weltliteratur“, urteilt Regisseur Matthias Gehrt über das 90-minütige Schauspiel: „Stabil, widerborstig, aber mit so viel Substanz.“

Den Sound liefert York Ostermayer, der sich für Punkrock als Untermalung entschieden hat und damit ein Kontrapunkt setzt zum tristen Dasein im Verlies. „Es ist die Sehnsucht nach einem explodierenden Leben. Man will ausbrechen, kann aber nicht“, sagt Gehrt.

Drei Neuankömmlinge am Krefelder Theater werden in ihren Rollen zu sehen sein. Christoph Hohmann spielt Hamm. Der Diplomschauspieler betrat schon die großen Bühnen in Dresden, Frankfurt, Wien, Leipzig und Basel.

Zuletzt überzeugte er neun Jahre lang am Hans-Otto-Theater in Potsdam. Er spielte schon Titelrollen wie Faust, Don Carlos oder Baal und ist in einigen Fernsehproduktionen zu sehen. Sein Diener Clov wird vom jungen Badenser David Kösters gespielt.

Ab 2014 ging er mit „Böse Geister“ von Fjodor Dostojewski auf Deutschland-Tournee. 2016 begann er sein Schauspielstudium für Musik und Theater an Leipzig.  Katharina Kurschat alias Nell  wuchs in Bad Segeberg auf, war von 2003 bis 2015 am Theater Lübeck als Statistin tätig, trat dort in „Die Buddenbrooks“ auf.