Krefeld Syrer dolmetscht für Flüchtlinge
Ein Besuch im Vera Beckers Berufskolleg — das Erlernen der Sprache gilt als der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration.
Krefeld. Sprachgewirr an der Girmesgath — auf arabisch, polnisch, englisch, deutsch, italienisch, kurdisch, albanisch, serbo-kroatisch, persisch, schwedisch und griechisch verständigen sich die rund 20 Schüler der Internationalen Förderklasse A 1 am Berufskolleg Vera Beckers. Neben Lehrerin Simone Roemer spielt der 17-jährige Ali die Hauptrolle. Der Syrer, der seit März die Schulbank drückt, spricht schon leidlich gut Deutsch. Er übersetzt für seine erst kürzlich angekommenen syrischen Mitschüler in deren Muttersprache. Manchmal hilft dabei auch die Übersetzer-App seines Smartphons.
Es geht aber nicht nur um das Deutsch-Pauken, sondern um mehr. Lehrerin Roemer vermittelt im Fach Politik das Grundgesetz, die Grundwerte unserer Gesellschaft. Zum Begriff Freiheit sammelt sie die individuellen Ansichten. Das alles vor dem Hintergrund von Unterdrückung, Elend, Krieg und Flucht. „Während für die Polin Sabrina Freiheit ist, „zu machen, was ich will“, versteht Anwar darunter die Vielfalt des Zusammenlebens unterschiedlicher Religionen. Die syrischen Schwestern Abeer und Hadeel, die beide studieren möchten, interpretieren Freiheit als „ein Leben ohne Angst“.
In der Stunde davor war der Begriff Toleranz Gegenstand des Unterrichts. Die Sprachvermittlung gilt als wichtigstes Werkzeug zur Integration in eine neue Gesellschaft. In den Förderklassen erhalten die Schüler wöchentlich zwölf Stunden Deutsch-Unterricht. Derzeit besuchen 205 Kinder und Jugendliche solche Förderklassen an verschiedenen Krefelder Schulen.
Simone Roemer, Lehrerin
Marita Stammes, die Leiterin dieses Bildungsgangs bei Vera Beckers sagt: „Neben der Sprache und Politik vermitteln wir aber auch Kenntnisse in den berufsübergreifenden Fächern praktische Philosophie, Sport, Gesundheitserziehung, Mathematik, Englisch und berufspezifische Fächer.“ Damit soll den Schülern die Möglichkeit eröffnet werden, sich in die unterschiedlichen Bildungsgänge der Schule zu integrieren und zu qualifizieren. Am Ende der einjährigen Bildung in der Förderklasse soll die Möglichkeit stehen, einen weiterführenden Bildungsgang zu erreichen. Im günstigsten Fall besteht die Möglichkeit, bei Vera Beckers das Abitur zu absolvieren.
Schwerpunkte des Berufskollegs, an dem 3000 Schüler von 200 Lehrern unterrichtet werden, sind Gesundheit, Sport, Sozialwesen, Ernährung, Bekleidung, Kosmetik, Medizin und Verwaltung sowie Fort- und Weiterbildungen in diesen Bereichen. „Bemerkenswert“, so Stammes, „ist die große Solidarität und Hilfsbereitschaft untereinander.“ Simone Roemer ergänzt: „Sie sind wissbegierig. Sie wollen rein in unsere Gesellschaft und wissen, dass sie dafür die Sprache brauchen.“ Am Ende der Stunde verteilt die Lehrerin noch Hausaufgaben. Auch daran sollen sich die Schüler gewöhnen. Sie stellt die Aufgabe, die ersten drei Artikel des Grundgesetzes auf den Begriff Freiheit zu untersuchen — die Menschenwürde und Menschenrechte, die Persönlichkeitsrechte und der Gleichheitsgrundsatz.