Trauerrednerin Gabriele Jöhren – die Frau für die letzten Worte
Gabriele Jöhren arbeitet seit neun Jahren als Trauerrednerin. Mehr als 1000 Ansprachen hat die 48-Jährige schon für Beerdigungen geschrieben.
Krefeld. "Jedes Leben ist es wert, erzählt zu werden" - der Leitspruch von Gabriele Jöhren. Sie redet von Berufung, nicht von Beruf. Die 48-jährige weiß, wovon sie spricht: Sie ist hauptberufliche Trauerrednerin und hat schon mehr als 1000 Ansprachen auf Beerdigungen gehalten.
"Jede Rede ist anders, weil auch jeder Mensch anders ist." Seit neun Jahren ist sie Trauerrednerin, vorher arbeitete sie als Versicherungskauffrau - war aber eher unglücklich, wie sie resümiert.
Irgendwann, kurz vor ihrer Ausbildung zur Trauerbegleiterin, hatte sie jedoch dieses Aha-Erlebnis. Als eine Verwandte starb und die Trauerrede gehalten wurde. "Die Schilderung war so ergreifend, dass ich die Luft angehalten habe."
Zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon viele Abschiede hinter sich: ihre Großeltern, Onkel und Tante, eine 16-jährige Schulfreundin. Rückblickend sagt sie: "All diese schlimmen Dinge, die passiert sind, helfen mir heute bei meiner Arbeit. Ich kann die Menschen da abholen, wo sie stehen, ich kann nachvollziehen, wie man trauert."
Wenn sie eine Trauerrede schreibt, macht sie vor allem eins: sich Zeit nehmen. "Ich kann gut zuhören." Etwa vier Trauerreden kann sie so pro Woche schreiben - höchstens. Die Krefelderin spricht ungefähr zwei Stunden mit den Hinterbliebenen, stellt Fragen, lernt den Toten kennen. Geht dabei auf die Menschen ein, die vor ihr sitzen. Sie will eine Sprache sprechen, die jeder versteht.
Und auch die Ecken und Kanten eines Menschen nicht aussparen, "denn Himmel und Hölle machen wir uns hier ja selbst. Jeder hat sein Leben so geführt, wie er konnte."
Der Glaube an Gott und den Sinn des Lebens spielt dabei für Gabriele Jöhren eine große Rolle. Sie muss an etwas glauben, sonst gehe sie kaputt, sagt sie: "Besonders wenn Kinder sterben, fühlt sich das verkehrt herum an."
Dann sei es schwierig, die passenden Worte zu finden, sehr schwierig - aber es sei zu schaffen.
Gabriele Jöhren ist mit ihrer Arbeit nicht allein. Rudi Knoche, der Vorsitzende der Bundes-Arbeitsgemeinschaft Trauer-Feier (BATF), erklärt: "Abschiede werden heute eher individuell gestaltet."
Dass das Bestattungswesen einem "dramatischen Wandel" unterliegt, bestätigt auch Kerstin Gernig, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Bestatter: "Man kann dies daran erkennen, dass die Feuerbestattungen stark zunehmen. Mittlerweile machen sie fast die Hälfte der Bestattungen aus, obwohl die Bestattungskultur im christlichen Abendland auf die Erdbestattung Christi zurückgeht."
Viele Menschen sind aus der Kirche ausgetreten, auch Todes- und Jenseitsvorstellungen haben sich verändert - und Bestattungen seien ein Spiegel der gesellschaftlichen Veränderungen.
Das schlage sich auch bei den Trauerreden nieder, so Gernig: Bei kirchlichen stünde der Auferstehungsgedanke stärker im Vordergrund, bei weltlichen eher die Biografie des Verstorbenen.