Personalnotstand Überlastung bei der Polizei - die Gewerkschaft spricht
Der Polizeipräsident schweigt sich zum Thema Überlastung aus. GdP bezieht dafür Stellung. Hochgerechnet sind es 47 000 Überstunden.
Krefeld. Das Thema Personalnotstand bei der Polizei ist brisant, offenbar so sehr, dass Polizeipräsident Rainer Furth die Auskunft dazu verweigert. Dafür bezieht Wolfgang Lindner in seiner ehrenamtlichen Funktion als Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Krefeld offen Stellung.
„In NRW schieben 39 000 Polizisten 3,7 Millionen Überstunden vor sich her, in Krefeld sieht das im Verhältnis nicht viel anders aus.“ Umgerechnet auf gut 500 Polizisten in der Stadt ergäbe das eine Summe von über 47 000 Überstunden oder im Durchschnitt fast 100 Überstunden pro Person.
Lindner weiter: „Allein an Karneval waren hier über 100 Beamte zwischen Altweiber und Aschermittwoch im Einsatz und haben weitere Überstunden angehäuft. Da war in ganz NRW alles auf den Beinen, was Uniform trägt, schon aus Angst, dass sich Straftaten wie an Silvester in Köln wiederholen.“ Lindner bricht eine Lanze für die Kollegen in Köln.
„Das hätte in jeder anderen Großstadt auch passieren können. Keiner konnte ahnen, dass eine Veranstaltung bei uns derart eskaliert. Das hätte man vielleicht auf dem Tahrir-Platz in Kairo erwartet.“ Seitdem werde aber zumindest alles offen kommuniziert.
„Unsere Kollegen sind froh, dass seit Silvester wenigstens über die Probleme gesprochen wird.“ Daraus habe man gelernt. Seither gebe es einen Paradigmenwechsel. Die Beamten werden künftig verstärkt dort eingesetzt, wo der Druck am größten ist. Lindner prophezeit: „In den nächsten Jahren wird am Kölner oder Düsseldorfer Hauptbahnhof sicher nicht mehr zu wenig Personal eingesetzt, in Krefeld wäre dies allerdings denkbar.“
Verantwortlich dafür ist die Personalsituation. „Ich befürchte, dass Krefeld von den 1920 Neueinstellungen, die Innenminister Jäger für NRW plant, nichts abbekommt“, so Lindner. Die Verteilung des neuen Personals richte sich nach der Zahl der Straftaten und den kommunalen Schwerpunkten. Krefeld gehöre aber nicht zu den Brennpunkten, sondern verzeichne vielmehr seit Jahren eine hohe Aufklärungsquote von über 50 Prozent.
Linder bedauert, dass die gute Leistung voraussichtlich nicht belohnt wird, zeigt aber Verständnis für den Innenminister: „Ich würde an seiner Stelle vermutlich ebenso handeln.“
Obwohl die Straftaten zugenommen haben, werden die Krefelder Polizisten nicht nur in Krefeld eingesetzt, sondern auch regelmäßig zu Großveranstaltungen wie Fußballspielen oder Demonstrationen in andere NRW-Städte delegiert. Dabei gäbe es hier genug zu tun, etwa bei der Bekämpfung des Dauerbrenners Einbrüche und Bandenwesen.
Auch im Sport mehren sich die Einsätze, nicht nur in der Uerdinger KFC-Fanszene, sondern selbst bei Amateurfußballspielen bis hinunter in die fünfte Liga. In einer Standortbestimmung hat die NRW-GdP auf der Basis des Jahres 2014 trotz 1400 Neueinstellungen hochgerechnet, dass bis 2025 bis zu 4300 Stellen durch die bevorstehende Pensionierungswelle und andere Abgänge verloren gehen. Die geplanten 1920 Stellen reichen nicht einmal, um die Abgänge auszugleichen.
Hoffnung machen Lindner zumindest zwei Maßnahmen der Landesregierung. Ab sofort sollen bis zu 500 Polizisten, die aus Altersgründen ausscheiden, zum freiwilligen Weitermachen gewonnen werden, um das Zeitfenster zu schließen, bis die 1920 Nachwuchskräfte ausgebildet sind.
Interesse sei hinreichend vorhanden, doch auch hier gehe Krefeld wohl leer aus. Außerdem stelle NRW 350 Tarifbeschäftigte ein, die Polizisten entlasten, die in polizeifremden Tätigkeiten wie Personalverwaltung und Datenverarbeitung arbeiten. „Davon könnte sogar Krefeld etwas abbekommen“, hofft Lindner.