Bildungsträger 100 Jahre VHS Krefeld: „Wir wollen ein Ort der Begegnung sein“

Krefeld · Vorbereitungen für das Jubiläum im September haben begonnen. Bürger können sich beteiligen.

Seit 2011 leitet Dr. Inge Röhnelt die Volkshochschule. Seit 2013 lebt sie auch in Krefeld – und das „sehr, sehr gerne“.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Der Bericht aus dem Krefelder Presseamt vom 18. August 1919 spricht eine deutliche Sprache: „Das Interesse für die in Aussicht genommenen Volkshochschulkurse scheint nach den Einzeichnungslisten ein sehr starkes zu sein.“ 10 400 Teilnehmer wollten gleich im ersten Jahr der frisch gegründeten Volkshochschule Krefeld an Kursen und Vorträgen teilnehmen. „Eine sehr beachtliche Zahl“, staunt die heutige VHS-Leiterin Dr. Inge Röhnelt noch 100 Jahre später.

1919 ist das Geburtsjahr der Volkshochschule in ganz Deutschland. Aus diesem Anlass bereiten auch Inge Röhnelt, Andreas Gräbner (Fachbereichsleiter Kultur) und ihr Team für den Spätsommer Jubiläumsfeiern und eine Ausstellung vor. Unterstützung haben sie sich bei der Historikerin und Journalistin Christina Schulte geholt, die Anfang des Jahres intensiv damit begonnen hat, die Krefelder VHS-Geschichte zu erforschen und für die Ausstellung aufzubereiten.

Bürger drängten auf Gründung der Volkshochschule

Zum Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung hat sie erste Ergebnisse ihrer Arbeit mitgebracht, die auch Röhnelt und Gräbner noch nicht kennen. „Die Gründung geschah auf Betreiben von Bürgern, vor allem aus den Reihen der Sozialdemokratie“, hat Schulte herausgefunden.

Das Spektrum der ersten Vorträge und Kurse was schon sehr groß. Es reichte von „Geografische Wanderung durch Deutschlands schönste Gaue“ (205 Hörer) über „Einführung in die praktische Volkswirtschaftslehre“ (301 Hörer) und „Arbeiterrecht“ (305) bis hin zu „Goethes Faust“ (283) und „Die Sternenwelt und ihre Bewohner“ (329). Auch „Geschlechtskrankheiten und ihre Bedeutung für das Volkswohl“ interessierte 200 Hörer.

„Das Spektrum ähnelt dem, was wir heute auch haben“, sagt Inge Röhnelt: Politik und Gesellschaft, Kultur und Kreativität, Natur und Gesundheit, Sprachen sowie Schule, Familienbildung, Berufe sind die fünf Bereiche, die bis heute im Programm zu finden sind. Bildung als Möglichkeit des Aufstiegs sei damals wie heute die dahinter stehende Idee.

Während die VHS 2019 in Krefeld fest etabliert ist, sah dies in den ersten Jahren ganz anders aus: Die tatsächliche Zahl der Teilnehmer war geringer als erwartet, da die Vortragenden aus der „gehobenen Gesellschaft“ oft nicht die Sprache der Arbeiter und Angestellten sprachen. In Folge der Deutschen Inflation kam es schon 1923 aus finanziellen Gründen wieder zur Schließung der Krefelder Volkshochschule.. Im unabhängigen Uerdingen hielt die Institution immerhin bis 1931 durch.

Friedrich Schlüter war der erste Leiter

1933 wurden die Volkshochschule in Deutschland durch die Nazis verboten. Es dauerte dann bis 1946, als durch Gründung des Volksbildungsvereins Krefeld (ab 1950 Krefelder Bildungswerk) ein Neuanfang gemacht wurde. Friedrich Schlüter leitete ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem Tod 1966 das Bildungswerk und die Stadtbücherei. Ein festes Gebäude gab es nicht. Die Kurse wurden zunächst im Kaiser-Wilhelm-Museum gehalten, ab 1962 in der neuen Stadtbücherei am Theaterplatz.

Zur wichtigen Persönlichkeit der Aufbaujahre entwickelte sich Irene Rixen-Stallmann. Als Verwaltungsfachkraft war sie auch eng in die pädagogische Planung eingebunden. 40 Jahre blieb sie bei der VHS, später sogar als Fachbereichsleiterin.

Ein inhaltlicher Wandel vollzog sich ab 1975, als Dr. Anna Elisabeth Moog als erste Frau in ganz NRW die Leitung einer Volkshochschule übernahm. Das im gleichen Jahr verabschiedete Weiterbildungsgesetz stellte die Finanzierung auf neue Füße, ebenfalls 1975 erfolgte die Umbenennung in Volkshochschule. Und tatsächlich richtete sich das Angebot nicht mehr vorrangig an Bildungsbürger, sondern es gab „einen breiten Bildungsaufbruch“, sagt Inge Röhnelt. Politische Bildung wurde damals besonders groß geschrieben. Das lebenslange Lernen sei bis heute der Motor der VHS geblieben.

Bildung hat seit 1987/88 ein neues Zuhause

Anna Moog war es, die darauf drängte: „Bildung braucht ein Zuhause.“ Das von Ludwig Thorissen entworfene VHS-Gebäude am Von-der-Leyen-Platz wurde 1987/88 bezogen. Zehn Jahr später kam mit Dr. Hansgeorg Rehbein ein neuer Leiter, der mit Naturwissenschaften und beruflicher Bildung auch neue Schwerpunkte setzte.

Und heute? Unter Inge Röhnelt wurde die Volkshochschule modernisiert. Das fängt beim Gebäude an und endet bei den fünf Touchsreens, die alte grüne Tafeln ersetzt haben. „Wir werde sie jetzt alle nach und nach austauschen“, kündigt Röhnelt an.

Die VHS Krefeld im Jahr 2019 will „Ort der Begegnung sein und bleiben“, sagt sie. Gut vernetzt mit den städtischen Einrichtungen bringt sie sich als Dialogplattform ein, sei es bei den Diskussionen über den Theaterplatz oder beim Bauhaus-Jubiläum. Auch die Herausforderung durch die Integration konnte bewältigt werden. Das Angebot dazu sind seit 2015 verdreifacht worden.

Aktuell richtet sich aber der Blick auf das Jubiläum. „Am 13. September gibt es bei uns im Erdgeschoss eine richtige Party mit Tanz, Spaß, Kabarett und Band“, kündigt Andreas Gräbner an. Die Ausstellung „100 Jahre VHS“ wird am 23. September, einen Tag nach dem offiziellen Festakt, eröffnet. Und alle, die an den Vorbereitungen beteiligt sind, hoffen sicher schon jetzt, dass es wieder heißt: „Das Interesse daran scheint ein sehr starkes zu sein.“