Wie die D-Mark das Leben in Krefeld veränderte
Heute jährt sich das Inkrafttreten der Währungsreform zum 70. Mal. An 300 Zahlstellen konnten die Krefelder ihr Geld umtauschen.
Heute jährt sich zum 70. Mal ein Schicksalstag in der deutschen Nachkriegsgeschichte: Am Sonntag, 20. Juni 1948, trat in den westlichen Besatzungszonen die Währungsreform in Kraft. Es gab die Reichsmark (RM) nicht mehr. Sie hatte nur noch ein Zehntel Wert. Das neue Zahlungsmittel war die Deutsche Mark (DM). Es war, so die Historiker, der größte Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte. Viele hatten lange schon das Vertrauen in die Währung verloren und waren zum Warentausch übergegangen. Für den Barverkehr war eine Kopfquote von 60 Mark festgelegt worden. 40 Mark konnten direkt umgetauscht werden. Die WZ war auf den Spuren der Ereignisse in Krefeld.
Nicht viele Zeitzeugen gibt es noch. In Publikationen jedoch findet man Berichte. Und die damaligen Zeitungen waren voll davon. „Für ehrliche Arbeit wieder ehrliches Geld“ und „In zehn Stunden 8,4 Millionen ausgegeben“ — so lauteten die Schlagzeilen. Anfang Juni verdichteten sich die Gerüchte um eine Reform, und das merkte man auch am noch spärlicher werdenden Angebot in den Geschäften. Die Stadtsparkasse war mit der technischen Durchführung des Umtauschs beauftragt.
Ihr damaliger Direktor Alfons Heinen wählte den Weg über 300 Zahlstellen. Anderenorts hatte man erwogen, das neue Geld über die Lebensmittelkartenverteiler ins Haus zu bringen.
Alle öffentlichen Gebäude in Krefeld, insofern sie einigermaßen nutzbar waren, wurden zu Zahlstellen. Lautsprecherwagen verkündeten die Abwicklung.
Es erschienen Bekanntmachungen, wo der Einzelne seinen Umtausch vollziehen konnte. Neben dem Bankenpersonal waren 1600 Hilfskräfte der Stadtverwaltung eingesetzt.
Die Polizei war bewaffnet. Aber der Umtausch verlief reibungslos. Nur an größeren Zahlstellen gab es lange Schlangen. Die WZ in einem späteren Bericht: „Der wirtschaftliche Blutkreislauf begann wieder zu pulsieren.“ Die Verantwortlichen hatten in den Tagen vor dem Umtausch mit mehr oder weniger Erfolg dafür geworben, keine Waren zurückzuhalten.
Ein besonderes Lob bekamen dann auch die Krefelder Bäcker. Obwohl sie laut Verfügung an dem kritischen Samstag wegen der angespannten Mehllage geschlossen halten durften, öffneten sie ihre Läden. Das bedeutete, dass sie noch 40 000 Reichsmark in altem Geld einnahmen.
Die ehrenamtlichen Helfer erhielten als Entschädigung eine kostenlose Mittags- und Abendmahlzeit, mussten dafür aber ihr eigenes Geschirr mitbringen. Die Familien mit den Anfangsbuchstaben A bis K sollten zwischen 9 und 13 Uhr, die restlichen zwischen 13 und 19 Uhr die Zahlstellen aufsuchen. Am frühen Morgen hatten ein paar ganz Ungeduldige für Ärger gesorgt.
In ihrem Buch „Zusammenbruch und Neubeginn“, ohne Datum, schildert Juliane Lepsius-Trendelenburg viele Schicksale. Elfriede Gossens berichtet im Kapitel „Ängste und Mut unserer kleinen Familie“ über die Währungsreform: „Heute verliert der alte Wust Papier, genannt Reichsmark, seinen Wert. Es ist seltsam. Wo man bisher auf Bezugsschein nichts bekommen konnte, ist jetzt fast alles zu kaufen. ,Soeben eingetroffen’ lautet ein neues Schild.“
„Kost nix, dat häv ech selvs jekläut“ — unter dieser Überschrift erzählt Hedwig Hardenberg: „Das Kind war in Hüls geboren. Die ganze Familie hatte zusammengelegt. Denn kurz nach der Währungsreform hatte jeder nur 40 DM, und die Entbindung kostete mehr als 200 DM.“ Ein Krefelder, der unerkannt bleiben möchte, berichtet: „Mein Vater hatte das Umtauschgeld für seine fünfköpfige Familie nicht zusammen. Er erzählte oft, dass die Familie echt Hunger gelitten und jegliches Bargeld am Schwarzmarkt für Lebensmittel ausgegeben hat. Freunde haben ihm die fehlenden Reichsmark geliehen. In welchem Verhältnis die Rückgabe erfolgte, weiß ich nicht.“
Maria Müller (Name geändert, Jahrgang 1934) erinnert sich: „Ich war damals auf der Haushaltungsschule, und wir unternahmen, als ich kurz vor meinem 14. Geburtstag stand, einen Schulausflug ins Siebengebirge. Es war, wie wir später erfuhren, die Woche vor der Währungsreform. Alle Geschäfte und Restaurants, an denen wir vorbei kamen, waren geschlossen. Unsere Lehrerin hat an einigen Haustüren geklopft, und bei netten Leuten bekamen wir dann etwas Leitungswasser, um unseren Durst zu löschen.“
In Krefeld wird auch von einem Landwirt berichtet in Benrad, der kurz vor der Reform Bauerwartungsland verkauft haben soll. Es wird erzählt, dass die Käufer ihm ein paar Tage vor dem Stichtag eine Wanne voll Reichsmark überbrachten, die er akzeptieren musste.