Interview: Erfolgswelle der CD hat zwei Uerdinger Väter
Die Experten in Sachen Makrolon trafen sich zum Jubiläum der Compact Disc im Chemiepark.
Krefeld. Von "Super-Platte" und "shrinking disc" war die Rede, einige feierten sie bereits als "System der Zukunft" - 1982 kam die erste Audio-CD auf den Markt. Und die Wiege der CD-Massenproduktion stand bei Bayer in Uerdingen. Der kleine Silberling ist aus Kunststoff, zwölf Zentimeter im Durchmesser, spiegelglatt, auf der einen Seite mit einer Metallschicht überzogen. Vor 25 Jahren begann damit eine Ära neuer digitaler Speichermedien.
Dieter Freitag, ehemaliger Leiter der Zentralen Materialforschung von Bayer, und Hartmut Löwer, Leiter Global Innovations innerhalb des Geschäftsfeldes Polycarbonates bei Bayer Material Science, sind Männer der ersten Stunde und "Väter der Compact Disc". Die beiden Chemiker hatten damals - der eine in der Forschung, der andere in der Anwendungstechnik - das Ziel, Makrolon als Trägermaterial für die CD nutzbar zu machen. Ihre Arbeit legte den Grundstein für die Erfolgsgeschichte "eines Wunderwerks der Technik".
Dr. Löwer, bei einer Präsentation der CD riet der Sony-Gründer Akio Morita allen Beteiligten, ihre Langspielplatten wegzuwerfen. Haben Sie Ihre Vinylscheiben in den Mülleimer befördert?
Löwer: Nein, so schnell hat die CD die LP nicht ersetzt. Aber der Unterschied zwischen einem alten Plattenspieler und dem ersten CD-Player war schon toll. Ich erinnere mich noch: Wenn beide nebeneinander standen und man zwischen zwei Musikstücken hin und her schaltete, war klar: Die Audio-CD ist ein Vorstoß in eine ganz neue Dimension des Musikgenusses.
Gemeinsam mit Philips und PolyGram hat Bayer vor 25 Jahren die Ära der CD eingeläutet. War Ihnen bewusst, dass es eine kleine Revolution war, an der Sie beteiligt waren?
Löwer: Jeder, der sich zu dieser Zeit mit dem Thema beschäftigte, wusste, dass die Audio-CD einen Meilenstein in der Wiedergabe von Musik darstellte. Für mich war es besonders spannend, da ich als junger, frisch promovierter Chemiker direkt von der Hochschule kam. Ich hatte das Glück, eine neue Materialklasse betreuen zu dürfen, die aus der Zentralen Kunststoff-Forschung kam. Das waren Polycarbonate mit einer neuen Modifizierung, die das Ziel hatten, bessere Fließfähigkeit bei gleichzeitigem Erhalt der mechanischen Eigenschaften zu garantieren. Sony und Philips hatten bereits die Technologie entwickelt, um Musik zu digitalisieren. Es fehlte nur ein geeignetes Trägermaterial. Schnell war klar: Unser Polycarbonat, ein Makrolon-Typ, war der geeignete Kandidat. Den hatte Dieter Freitag quasi schon in der Schublade - entwickelt für ganz andere Zwecke. Damit war die Partnerschaft beschlossen.
Dr. Freitag, waren Sie Ihrer Zeit so weit voraus?
Freitag: Als ich mich mit diesem Makrolon-Typ beschäftigt habe, ging es mir vor allem darum, dass sich der Werkstoff bei der Verarbeitung besser entformt, also gut aus der Spritzgießform löst. Dabei stellte sich im Labor heraus, dass er auch deutlich schneller fließt als das ursprüngliche Makrolon. Dieser positive Nebeneffekt ist für die CD-Produktion von entscheidender Bedeutung. Doch davon hatte ich damals noch keine Vorstellung. Ich wusste gar nicht, was eine CD überhaupt ist oder wozu sie eingesetzt werden könnte.
Von der CD über die DVD bis hin zur Blu-ray Disc und HD-DVD ist in der Zwischenzeit viel passiert. Wann ist die Speicherkapazität der kleinen Scheiben ausgereizt?
Freitag: Ein Ende ist nicht absehbar. Bisweilen scheint es mir auch jetzt noch unbegreiflich, welche Möglichkeiten uns die modernen optischen Speichermedien bieten. Den Quantensprung von der ersten CD bis heute konnten wir schon nicht vorhersehen. Man muss sich das mal vorstellen: Eine DVD hat eine Speicherkapazität von 4,7 Gigabyte - das ist genug Platz für zwei Millionen DINA-4-Seiten. Die Datenträger-Generation der Zukunft, die holografischen Speichermedien, fassen sogar bis zu 120 Millionen Seiten auf einer Disc. Diese Datenmengen kopieren wir heute in wenigen Sekunden. All das wird unseren Alltag ganz wesentlich verändern.