Jubiläum „Porzellan ist Luxus, aber für jeden Tag“

Krefeld · Bei Kobes gibt es seit fast genau zehn Jahren Schönes für Tische und Tafeln. Dahinter stehen zwei Fans des Weißen Goldes, für die ein Service „für gut“ oder „für schön“ keinen Sinn macht.

Jan-Willem Kobes (r.) und Claus Weissenborn feiern im November das zehnjährige Bestehen ihres Porzellangeschäfts an der Schwertstraße.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Einmal drücken auf die untere Schelle, auf der „Kobes“ steht. Es könnte einfach nur ein Familienname sein, wie die anderen an den Klingelknöpfen darüber. Ein Türöffner scheppert. Dahinter ein Hausflur, ganz normal, unscheinbar. Dann geht die Tür zu den Erdgeschossräumen auf und dahinter ist die Welt auf den ersten Blick bunt. Denn wer das Geschäft „Kobes – The fine dining avantgarde“ betritt, blickt zunächst auf ein Regal voller Tassen, Untertassen, Kuchentellern, Eierbechern und vielem mehr aus einer Kollektion der schleswig-holsteinischen Manufaktur Dribbern in 50 verschiedenen Farben.

Zwischen den zahlreichen Regalen voller bunt strahlendem, schneeweißem oder mit zarten Dekors wie angedeuteten Kirschzweigen oder Minipapageien gestaltetem Porzellan stehen ein paar ausgewählte antike Möbelstücke, auf einem großen Holztisch sind Vasen und Dosen hübsch arrangiert.

Jan-Willem Kobes rückt eine Tasse der thüringischen Manufaktur Reichenbach zurecht, während sein Kompagnon Claus Weissenborn für eine Kundin Kaffee hinter der Theke zubereitet. Nur noch ansatzweise erinnert sie an die Vorgeschichte des jetzigen Ladenlokals an der Schwertstraße – als die Besucher der Gaststätte Baggen noch aus ganz anderen Gefäßen tranken.

„Wir konnten hier noch mal ganz neu starten. Alles genau nach unserem Geschmack gestalten“, blickt Jan-Willem Kobes (50), der aus dem niederländischen Vriezenveen stammt, zurück auf die Anfänge des Geschäfts inmitten des ansonsten von Wohnhäusern geprägten Straßenzugs zwischen Philadelphia- und Dießemer Straße. Im November vor zehn Jahren wurde er gemeinsam mit Weissenborn (46) beruflich sesshaft.

Aus dem Hobby wurde
eine Geschäftsidee

Vorher hatte der Niederländer, der schon immer Porzellan liebte und als Hobby sammelte, zunächst nebenberuflich, dann hauptberuflich nur online mit Geschirr gehandelt. „Ende der 90er-Jahre zunächst mit dem, was ich als Sammler zu viel hatte. Das klappte gut und ich habe mich auf englisches Porzellan spezialisiert“, fasst er die vielen Jahre bis zum Start in die Selbstständigkeit 2002 zusammen. Als Weissenborn, ebenfalls gelernter Kaufmann, sechs Jahre später mit in den Online-Handel einstieg, war er noch unbedarft in Sachen Porzellan. „Aber ich war wie ein Schwamm, der alles aufgesogen hat“, sagt er. Und er verliebte sich „in die Masse Porzellan und was man daraus machen kann“.

Mit einem kleinen Umweg über Uerdingen, wo die beiden Krefelder ein Jahr lang die Nachfolge von Tischkult Diegel an der Niederstraße übernahmen, wurde dann für beide an der Schwertstraße ein Traum wahr. In der eigentlichen Gaststätte richteten sie ihren Showroom für die Neuware ausschließlich aus deutschen Manufakturen ein. Hinter einer riesigen Ziehharmonika-Tür, die einst das Billardzimmer hinter dunkel gebeiztem Holz und undurchsichtigen Glasfenstern verbarg, sind jetzt das Büro und ein Teil des Lagers für gebrauchtes Porzellan untergebracht.

Denn auch zum zehnjährigen Bestehen, das die beiden am 29. November, 15 bis 22 Uhr an der Schwertstraße 31 feiern, ist eines der Standbeine der beiden Geschäftspartner der An- und Verkauf von Geschirr aus vergangenen Jahrzehnten. Gerade steht wieder ein Karton mit Teilen eines Rosenthal-Services bei den beiden. Verschnörkelte Form, mit Goldrand und -ranken, auf den Seiten eine ländliche Szene mit Dame im Rokoko-Kleid und dem Herrn in weißen Strümpfen und Kniehosen. „Das ist etwa 40 Jahre alt. Nichts, was heute in Deutschland noch viele schön finden würden. Aber in Asien zum Beispiel findet das bestimmt einen Anhänger“, berichtet Kobes über den weltweiten Handel.

Nachschub bekommen die beiden auch von den Kunden, die in ihr Geschäft kommen. Denn die können auch ungeliebtes älteres Porzellan gegen neues tauschen. „Oder, wenn es etwas ganz Besonderes ist, auch nur verkaufen“, erzählt der 50-Jährige. Oft ist es eine Frage des veränderten Geschmacks, wenn sich Menschen davon trennen.

Geschirr ist zum Benutzen da, appellieren die Kompagnons

Sehr oft könne man den Stücken dabei ansehen, dass sie kaum oder gar nicht in Gebrauch waren. Die Rokoko-Dame und ihr Verehrer haben ein Leben in einer Vitrine verbracht. Porzellan „für gut“ oder „für schön“ aufzubewahren – das ist etwas, was Kobes und Weissenborn nicht verstehen. „Wann soll das denn dann sein? An Geburtstagen? An Weihnachten?“, fragt Kobes. Geld für gutes Porzellan auszugeben, dann aber besorgt zu sein, dass es beim Benutzen Schaden nehmen könne, um es dann Jahre zu schonen und irgendwann nicht mehr schön zu finden – eine Horrorvorstellung für die beiden. „Ja, wir verkaufen Luxus. Aber es ist Luxus für jeden Tag“, formulieren die beiden ihren Appell an ihre Kunden. „Es nicht zu benutzen, dafür ist es viel zu teuer.“

Davon abgesehen, dass der befürchtete Schaden nach seiner Einschätzung vermutlich gar nicht eintreten wird. Kobes schlägt mit einer Tasse von KPM massiv auf den Holztisch vor ihm. Nichts passiert. „Die deutschen Manufakturen haben einfach eine ganz andere Qualität als das, was woanders produziert wird“, sagt er. Porzellan aus Fernost, das Service aus dem Discounter gehe „einfach schneller zu Bruch und wenn etwas kaputt ist, bekommt man keinen Ersatz“. Auf Tellern aus den besagten Manufakturen gebe es auch keinen Metallabrieb, also nicht mehr entfernbare Streifen, die das Besteck bei anderem Porzellan häufig hinterlasse.