Frühling Wo sich Hase und Fuchs in Krefeld gute Nacht sagen
Krefeld · Unsere Redakteure in Krefeld sind mit Hühnern aufgestanden, haben die Ruhe im Wald entdeckt und waren zu später Stunde im Zoo - eine Suche nach Orten, an denen sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
5.30 Uhr: Mit den Hühnern aufstehen
Wer schlafen gehen möchte, muss erst einmal aufstehen. Für Bauern kann das sogar ganz besonders früh sein. (Von Lisa-Maria Bosch)
Da sagen sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ drückt aus, dass ein Ort sehr ruhig ist. Es kann aber auch bedeuten, dass er weit abgelegen ist. Die WZ-Redaktionen in Krefeld hat sich auf die Suche nach besonderen Orten zu bestimmten Tageszeiten gemacht. Deshalb beginnt dieser Text mit einem Besuch auf dem Geflügelhof „Dommels Erb“. Er liegt etwas abgelegen an der Tönisvorster Straße zwischen Kempen und Krefeld.
Für Tanja Lang, die Besitzerin des Hofs „Dommels Erb“, gilt: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Wenn Lang ihre Damen weckt — so nennt sie liebevoll die Hühner — ist es in der Regel 5.30 Uhr am Morgen. An dieser Zeit erfreut sie sich sehr. Wenn im Winter noch die Sterne am Himmel zu sehen sind und im Sommer gerade die Sonne ihre ersten Strahlen auf den Hof wirft: „Ich genieße diese Ruhe und sehe, wie der Tag anfängt“, so Lang.
Die Hühner werden als erstes versorgt. Wenn Lang in den großen, roten Bauwagen kommt, herrscht noch friedliche Stille. „Wie die Hühner auf der Stange“, das trifft es hier auf den Punkt. Die Köpfchen sind in den Federn vergraben. Doch, sobald das Licht angeht, ist die Zeit der Ruhe vorbei. Köpfchen heben sich, Federn werden aufgeplustert und alles springt voller Tatendrang von den Stangen. Die Hofbetreiberin ist umringt von braunen, weißen oder gescheckten und lustig gackernden Hühnern. Dann fängt auch der Hahn an zu krähen, um auf seine Weise den Tag einzuläuten. Nachdem sie mit Wasser und Futter versorgt wurden, kann es dann auch nach draußen an die frische Luft gehen – der Bauwagen ist nur ihr Schlafplatz und die Sonnenstrahlen locken das fröhliche Federvieh.
Bei der Vielzahl der Hühner, zur Zeit leben auf „Dommels Erb“ rund 460 der Tiere, gibt es immer wieder das ein oder andere besondere Huhn. Eines davon ist Lucky. Getauft wurde das Huhn vor knapp einem Jahr von Langs eigenen Kindern. Die Hofbetreiberin selbst hat es jedoch genauso sehr ins Herz geschlossen. Wenn sie wieder einmal das Futter nachfüllt, lässt sich das Federvieh gerne auf die Schulter setzen und zur Nahrungsquelle tragen. Gerne verwöhnt Lang ihre Damen mit Leckereien wie Haferflocken oder gestampftem Mais.
Pünktlich um 10 Uhr stehen sie am Zaun parat und warten auf Tanja Lang. Voller Vorfreude wird gedrängelt und gedrückt, sodass das ein oder andere Mal der Zaun bricht und die Hühner loslaufen. Dann springt die Hofbetreibern selbst hinter ihnen her, um sie wieder einzufangen. Wenn sie keine Ausbruchsversuche starten, sind die gefiederten Damen aber auch sehr zutraulich. Wenn Lang auf die Wiese kommt, hocken sich die Hühner oft um sie herum und lassen sich mit Streicheleinheiten verwöhnen.
Nach den gefiederten Bewohnern des Hofes sind die zwei Esel an der Reihe. Auf der Wiese werden sie mit frischem Heu versorgt. Ganz gemütlich sind die zwei Gesellen, sie bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Den Besucher begrüßen sie mit freundlichen Blicken. Bei den Gänsen ist es eigentlich gegen 8 oder 8.30 Uhr Zeit, sie rauszulassen. Derzeit wird es aber mal später. Die 25 Gänse befinden sich in der Eierlegezeit und sie sollen möglichst im Stall bleiben – ansonsten gäbe es zu Ostern keine Gänseeier. Schön in warmes Stroh gehüllt, liegen die Eier so zum Einsammeln bereit. Gegen 10 Uhr holt Lang sie aus den Nestern. Im weiteren Verlauf des Tages suchen die Gänse die leeren Nester wieder auf, um sie neu zu „befüllen“. Jetzt an Ostern werden bemalte Eier überall auf dem Hof versteckt und die Kinder dürfen suchen. Wer weiß, vielleicht legen Lucky und ihre Freundinnen ja noch das ein oder andere Ei dazu.
9.30 Uhr: Ein kühler Frühlingsspaziergang durch den Forstwald
Werner Dohmen war im Forstwald unterwegs.
Es zirpt und zwitschert im Gebüsch. Es klopft und hämmert aus den Bäumen. Aus der Ferne ist Kindergeschrei zu hören. Eine Gruppe aus vier Fußgängern und einem ganzen Rudel von Hunden bummelt über den breiten Waldweg. Im Krefelder Forstwald erwacht der Frühling.
Während in den städtischen Parks die bunten Blüten förmlich explodieren, setzt das Frühlingserwachen im Forstwald ganz behutsam ein. Es ist kalt an diesem April-Morgen. Das blasse Grün an den Bäumen ist noch klein und lässt den ersten Sonnenstrahlen viel Platz, um frühe Spaziergänger ein bisschen aufzuwärmen. Der Boden zwischen den Stämmen ist von altem Laub bedeckt. Dazwischen hüpfen Rotkehlchen, Buchfinken und Meisen auf Futtersuche umher.
Hinter dem alten Forsthaus am Wildgehege füttert eine Gruppe von kleinen Kindern das Damwild mit Salat. Auf am Wegesrand gestapelten Stämmen haben die Kindergärtnerinnen das Frühstück angerichtet. Ein heißer Kaffee wäre jetzt nett – doch das Forsthaus-Restaurant öffnet erst um 10 Uhr.
Der Forstwald ist kein natürlich gewachsener Forst. Das zeigen schon die sternförmig angelegten Wege, die im Zentrum auf das Forsthaus stoßen. Der Bau von 1838 steht unter Denkmalschutz und wird als Ausflugslokal genutzt. Der Krefelder Kaufmann Gerhard Schumacher hatte den Wald im 19. Jahrhundert auf einer unfruchtbaren Heidefläche anlegen lassen. Und zwar dort, wo einst zwei große Schlachten stattfanden: 1642 im Dreißigjährigen Krieg und 1758 im siebenjährigen Krieg – die berühmte „Schlacht an der Hückelsmay“.
Ob der tiefe Graben rechts vom Weg wohl ein Schanz-Rest einer dieser Schlachten und damit ein Bodendenkmal ist? Und was hat es wenig später mit der merkwürdige Aneinanderreihung von flachen Wällen im Boden auf sich? Der Spaziergänger hat viel Zeit, über solche Fragen nachzudenken. Denn es ist meist still um ihn herum – vom Zirpen und Zwitschern mal abgesehen. Menschen sind um diese frühe Morgenstunde nur wenige unterwegs. Ab und an ein Jogger oder ein Hundebesitzer. Und ein Eichhörnchen flitzt eilig über den Weg. Frühling im Forstwald.
19.30 Uhr: Wo Schmetterlinge schlafen gehen
Der Krefelder Zoo zeigt sich in den Abendstunden von seiner ruhigen Seite und bietet ohne Besucher ganz besondere Einblicke. (Von Yvonne Brandt)
Der Zoo hat seine Tore schon seit einer halben Stunde geschlossen. Die Sonne ist kurz davor unterzugehen, als Zoobiologin Petra Schwinn die zwei angemeldeten Gäste noch hinein bittet. Auf der Suche nach einem Ort, wo nicht nur Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen, sondern auch andere heimische wie auch exotische Tiere aus aller Welt, ist der Tierpark an der Uerdinger Straße die erste Wahl. „Wild- und Zootiere verhalten sich anders, wenn die Besucher weg sind“, verspricht Schwinn, die diese graue Stunde ganz besonders liebt.
Das Erste, was auffällt, ist die einkehrende Stille des umliegenden Stadtteils. Die Tierlaute dringen viel deutlicher ans Ohr als tagsüber. Die große Herde der rosafarbenen Flamingos schnattert fast wie eine Gänseschar. Scheinbar haben sie sich noch viel zum Abschluss des Tages zu erzählen. Im Südamerika-Gehege wohnte seit anderthalb Jahren ein junger Tapir namens Vince. „Er lässt sich bislang ziemlich selten sehen“, erzählt Schwinn. Heute Abend ist davon nichts zu merken. Schnurstraks kommt er auf die kleine dreiköpfige Menschengruppe zu und schaut sie neugierig an. Doch auch die Nandu-Dame im Nebengehege zieht seine Aufmerksamkeit auf sich. Um besser einen Blick auf sie werfen zu können, richtet er sich am Zaun auf seine Hinterläufe auf und streckt die Nase aus in ihre Richtung. Das hat Schwinn auch noch nicht gesehen.
Das Tor zur Afrika-Savanne steht weit offen. Gefahr besteht aber dennoch nicht. Die Spitzmaul-Nashörner sind in ihren warmen Ställen ebenso wie die Elefanten-Damen. „Derzeit ist es abends draußen doch noch zu kalt für diese Tiere“, erklärt Schwinn.
Wesentlich mehr Leben ist hingegen in der neuen Anlage der europäischen Fischotter. Sie sind dämmerungsaktiv – und das ist zu sehen. Zunächst nur die Luftblasen, die an die Wasseroberfläche aufsteigen und dann das ganze Tier. Es ist Umami, das Weibchen, das Ende des vergangenen Jahres aus Schweden nach Krefeld gekommen ist. Ein Jahr lang war das Gehege nicht bewohnt und in den ersten Wochen der Eingewöhnung war keiner der beiden Fischotter zu sehen.
Auch das ist heute Abend anders. Sie schwimmt ganz nah auf die Besucher am Zaun zu, legt sich im Wasser auf den Rücken, um dann auf einem nahen Stein sich in aller Ruhe zu putzen. „Diese Tiere waren schon fast ausgestorben“, sagt Schwinn. Doch das konnte aufgehalten werden. „Durch Renaturierung aus Holland sind die europäischen Fischotter auch in Deutschland wieder heimisch geworden.“ Die Zoobesucher dürfen sich in den nächsten Monaten auf ihren Anblick freuen.
Wie bei den Stubentigern auch, sind die Katzen im Zoo, Schneeleoparden, Tiger, Jaguarundis, Löffelhunde, Geparden, Jaguare, Servale wie auch der Rote Panda, alle mit Einbruch der Dämmerung aktiv. Die drei Schneeleoparden sind derzeit in einzelnen Gehegen untergebracht. Vor allem das Muttertier hat derzeit mit ihrer geschlechtsreif werdenden zweijährigen Tochter Yuma Stress. Da ist es besser, sie getrennt zu halten, solange noch kein neuer Zoo für Yuma gefunden ist.
Bei der Ruhe im Zoo haben die Roten Pandas ihre Astgabeln in lufter Höhe verlassen und gehen auf dem niedrigen Dach ihrer Futterhäuser auf Nahrungssuche. Ein paar Schritte weiter lässt sich Hanya ganz nah an der Scheibe bewundern. Die sibirische Tigerin ist eine Leihgabe des Kölner Zoos. Dort wird für sie ein neues Gehege gebaut. Im Sommer 2020 soll es fertig sein. Solange ist sie zu Gast im Krefelder Zoo – und nach dem Tod des letzten Sumatra-Tigers ein willkommener imposanter Blickfang bei den Zoobesuchern.
Der Spaziergang durch den ruhigen, dunkler werdenden Zoo gleicht einer Natur-Meditation. Auch der Puls der Menschen verlangsamt sich, der Atem dringt tiefer als in der Hektik des Tages, die Zeit wirkt entschleunigt. Der Blick wird dennoch klarer und erfasst die zahlreichen Vögel, die ansonsten fast unbeachtet von den „zoologischen Stars auf dem Boden“ hier ebenso leben: Buntspecht, Bussard, Grünspecht wie auch der Star, der hier schon brütet.
Ein Stückchen weiter haben es sich die Moschus-Ochsen auf ihren Rindenmulch-Betten bequem gemacht und schlafen tief und fest. Ebenso wie die Menschenaffen, die abends nicht mehr gestört werden wollen. Auch bei den wenigen Nachtsafaris im Krefelder Zoo sind ihre Behausungen tabu. „So groß das Interesse der Besucher auch an ihnen ist, das Wohlbefinden der Tiere geht vor“, betont Schwinn. Und wird auch bewacht. Zwei Zoo-Mitarbeiter wohnen auf dem Gelände und ein Wachdienst dreht regelmäßig seine Runden in der Nacht.
Die Zootiere spüren das anscheinend. Abends und zur Nacht, wenn ihnen der Zoo allein gehört, gucken sie tatsächlich überrascht hoch, wenn ausnahmsweise doch noch eine kleine Gruppe Menschen an ihren Gehegen vorbei kommt. Das Seelöwen-Pärchen schaut gar etwas erbost drein, als die abendlichen Besucher sie augenscheinlich beim Kuscheln stören. „Jetzt sieht man sehr schön, dass Seelöwen an Land schlafen und auch ein richtiges Fell haben, wenn sie trocken sind“, sagt Schwinn – und lächelt.
Zum Abschluss des Rundgangs geht es in den Schmetterlings-Dschungel. Die Augen gewöhnen sich nur langsam an die Dunkelheit. Deshalb fallen sie auch gar nicht auf: die zahlreichen Schmetterlinge, dicht an dicht und rechts und links des Weges. In den verschiedenen Bäumen und Sträuchern haben sich gleichartige Schmetterlinge – wie unsichtbar dirigiert – zusammen gefunden, um zu schlafen. Eine wundervolle Gelegenheit, sie in ihrer ganzen Schönheit in aller Ruhe beobachten zu können.
Nur die jungen Atlas-Falter sind aktiv. In ihrem Brutkasten kämpfen sich zwei Exemplare gerade mit aller Kraft aus ihrem engen Konkon heraus, ein Dritter entfaltet sich schon zu seiner vollen Größe. „Das habe ich selber in natura auch noch nicht gesehen“, sagt Schwinn staunend. Es ist schon ein Erlebnis, den Ort zu besuchen, wo Tapire, Fischotter, Menschenaffen, Seelöwen und Schmetterlinge sich gute Nacht sagen.
20.30 Uhr: Haus Lange und Esters am Abend
Wir ließen die Stimmung der Häuser bei Dämmerung auf uns wirken. Doch durchweg ganz alleine waren wir nicht. Im Haus Esters gab es sogar eine Veranstaltung. (Von Christian Oscar Gazsi Laki)
Warmes Licht strahlt aus den durch die elegant in die Backsteinfassade gefügten horizontalen Fensterfronten von Haus Lange und Haus Esters. Ein sanftes Lüftchen weht und die Bäume in der Wilhelmshofallee streicheln den stetig ins dunklere Blau sich eintrübenden Abendhimmel. Ein bisschen wie zwei Trutzburgen, indes voller minimalistischer Eleganz aus dem Geiste des begnadeten „Neuen Bauers“ Ludwig Mies van der Rohe entsprungen, stehen, ja schmiegen sich die beiden Häuser an den sich leicht wölbenden Boden. Um die Häuser herum herrscht gutbürgerliche Stille, eine etwas gestrenge Ruhe, die sich vornehmlich in Villenvierteln breit macht, wenn der Tag sich gegen Ende neigt. Fast, als würden sich Vögel und Umwelt nicht trauen, den ruhigen Tages-Ausklang zu stören.
Es ist gegen 20 Uhr. Doch die Türe von den beiden, Ende der 1920er erbauten, Villen, die heute Museen sind, bleiben an diesem Tag nicht verschlossen. Die Häuser haben neuerdings am Mittwoch bis 21 Uhr geöffnet. Dafür erwartet den neugierigen Bauhaus-Fan an diesem Tag am Vormittag eine versperrte Türe. Denn man öffnet mittwochs jetzt erst ab 15 Uhr. Beim Betreten von Haus Lange, die Wahl fiel zunächst auf dieses der beiden Häuser, erwartet einen das freundliche Museumspersonal, erläutert, was es zurzeit zu sehen gibt.
Man erklärt, dass an diesem Abend in Haus Esters durchaus einiges los sei, die erhoffte Stille des späten Besuches scheint verflogen. Dort im Haus Esters findet ein Panel statt, bei dem Menschen über „Moderne Tendenzen der 1920er-Jahre im Rheinland“ diskutieren. Klingt interessant. Doch eigentlich sind wir um eine spätere Stunde hierher gekommen, um das Erlebnis dieser Architektur ganz im Einsamen, im Stillen auf uns wirken zu lassen. So lohnt sich das Verweilen im Haus Lange.
Kurz nachdem wir das Haus betreten haben, erscheinen weitere Besucher, die wohl auf eine ähnliche Idee gekommen sind. Die Museums-Aufsicht erklärt, dass in der Tat auch so spät noch recht viel Publikum zu erwarten sei. Doch voll ist es wirklich nicht und alsbald herrscht dann doch absolute Stille und Ruhe im Haus Lange.
Beim Durchschreiten der Räume im Erdgeschoss wirkt dieses Haus nahezu wie ein japanischer Meditationsgarten, so gradlinig und ehrlich ist diese Architektur. Durch die Dämmerung, die mehr und mehr an Präsenz gewinnt, tauchen sich die mit großen Fenstern versehenen Zimmer in ein sonderbares Licht. Ein Licht, das die Konturen deutlicher, ja spürbarer macht. Ein Licht, das dem in großen Teilen leeren Räumen ohne Möbel eine fast mystische Note verleiht. Nein spukhaft mag es nun doch nicht sein. Doch bei dem Anblick der Sitzgruppe mit den so berühmten Barcelona-Sesseln von Mies van der Rohe, die sich in einem der Zimmer befinden, beschleicht einen schon so ein Gefühl, ob sich doch nicht vielleicht, wenn man sich beiseite dreht, der eine oder andere Geist aus vergangenen Zeiten dort niederlässt. Den Blick über den Garten schweifend, vielleicht mit einem Cognac in der Hand, einer Zigarre oder Zigarette.
Wenn man so mehrere Minuten ganz allein durch diese Villa schlendern kann, so mag uns die Fantasie schon in sonderbare Welten entrücken. So wirkt die alte Küche, ganz auf Zweckmäßigkeit getrimmt und doch so typisch Mies van der Rohe, mit dem freistehenden alten Gasherd, schon ein wenig wie aus einem Hitchcock-Film, indes noch, bevor die Schockmomente kommen. Auch die zweite Etage verströmt eine ganz eigenwillige Stimmung.
Durch das schwache Licht entstehen reizvolle Schattenwürfe, auf der Veranda, in den Ecken und Kanten des Hauses. Der Blick hinaus ist mindestens genauso verwunschen wie der Blick hinein, etwa durch eine elegante Glastür, die glühend in warmem Weiß leuchtet und plötzlich den Blick auf einen vorbeihuschenden Wachmann freigibt.
Einen Abstecher zum Panel im Haus Esters gestatten wir uns auch noch. Dort wird gekonnt über das Neue Bauen, über Utopien einer neuen Architektur diskutiert. Die wenigen Worte, die wir aufschnappen, inspirieren. Geht man ein paar Schritte aus dem Raum, in dem das Panel stattfindet, heraus – sozusagen um die Ecke –, mag fast der Eindruck aufkommen, als höre man die Familie Esters in den 1920ern in ihrem frisch gebauten Haus beim Abendessen miteinander plaudern.
Ohnehin dürfte den Besucher durchaus die Neugierde beschleichen, wie es seinerzeit, als diese Häuser nicht für sich standen als Museen, die vornehmlich als Ort der Kunst umrahmt von Kunst fungieren, hier ausgesehen haben mag. Wie haben die Familien Esters und Lange gewohnt? Wie waren sie eingerichtet? Wie haben sie das architektonische Kunstwerk Mies van der Rohes zu ihrem Eigen gemacht? Leider gibt es nur sehr wenige Zeugnisse aus dieser Zeit.
Zurzeit sind in Haus Esters modulare Möblierungen der Künstlergruppe „Raumlabor“ im Rahmen von „Anders Wohnen“ zu sehen. Haus Lange selbst bleibt bis zum 4. Mai geschlossen. kunstmuseenkrefeld.de