"Brummi-Andi" muss wieder in Haft
Monheim/Langenfeld. Andreas B. kennt das Blitzlichtgewitter. Während sich seine Mitangeklagte die Jacke vor das Gesicht hält, blickt er starr in die Kamerlinsen. Schon wieder muss er auf der Anklagebank Platz nehmen, dem Vorsitzenden Richter bei der langen Auflistung seiner Straftaten helfen.
Neun Jahre und drei Monate hatte das Wuppertaler Landgericht zuletzt als Gesamtstrafe geurteilt, eine weitere Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung ist noch nicht rechtskräftig.
„Es ist mir in all den Jahren noch nicht untergekommen, dass ein junger Mann, ohne ein Kapitaldelikt begangen zu haben, eine solch hohe Vorbelastung mitbringt“, sagt der Oberstaatsanwalt am Langenfelder Amtsgericht. Dementsprechend fällt auch dieses Mal das Urteil aus: eineinhalb Jahre Haft — ohne Bewährung.
Die Anklage lautet auf gefährlicher Körperverletzung und Raub. Mit seiner Frau soll der als "Brummi-Andi" bekannte 26-Jährige eine 17-jährige Bekannte verprügelt, ihr Handy und Laptop weggenommen haben. Sie hatte seiner Frau angeblich klarmachen wollen, dass ihr Freund und jetziger Ehemann Andi B. eine Affäre mit seiner Cousine habe. „Er nahm mich einmal mit zu ihr. Ich saß im Wohnzimmer, die Beiden waren im Kinderzimmer. Da war ein lautes Stöhnen zu hören“, schildert das Opfer.
Eindeutig sei das gewesen. Weil ihr einiges an Sandra B. lag, habe sie ihre Bekannte über das Verhältnis aufklären wollen. Die 17-Jährige habe nicht gewusst, worauf sie sich da einlasse. „Als ich Andi kennenlernte, wusste ich nichts von den Vorstrafen“, sagt sie. „Aber das weiß doch eigentlich jeder“, entgegnet der Richter.
Am 25. September 2009 holte Sandra B. die 17-Jährige in Monheim ab. „Wir wollten eigentlich was trinken gehen“, sagt die Zeugin. Ihren Laptop habe sie dabei gehabt, um Sandra B. den Chatverlauf zu zeigen, in dem Andi B. angeblich seine Untreue zugegeben hatte. „Plötzlich fuhr Sandra Richtung Kielsgraben ins Gewerbegebiet. Da stand dann Andreas.“ Die 17-Jährige habe geahnt, was nun geschehen werde.
„Er hatte mir ja schon vorher per SMS gedroht.“ Andreas B. habe die Autotür aufgerissen und ihr Faustschläge verpasst. Als sie versuchte, wegzulaufen, habe sie Sandra B. festgehalten. Wer getreten habe, könne sie nicht mehr sagen. Das Handy habe Andreas B. ihr schließlich aus der Hand gerissen. Während des Geschehens saß die damals fünf Monate alte Tochter auf dem Rücksitz des Autos.
An mehreren Stellen ihrer Ausführungen stutzen die Verteidiger der beiden Angeklagten. Denn laut Anklageschrift und Vernehmungsprotokoll der Polizei hatten Andreas und Sandra B. die junge Frau nach Hause gefahren, hatten sie in die Wohnung ihrer Eltern begleitet, sie geschlagen und schließlich die Herausgabe des eingeschlossenen Laptops erzwungen.
„Die Zeugin hat in ihren Ausführungen bei der Polizei minutiös den Ablauf in der Elternwohnung geschildert. Und jetzt gibt es plötzlich eine ganz andere Version. Das spricht dafür, dass sie sich eine Geschichte ausgedacht hat“, sagt Andreas B.s Verteidiger Markus Hertel. Auch von der Begegnung mit ihrer besten Freundin, vor deren Haustür das Opfer weiter verprügelt worden war, hatte sie bis zum Prozesstermin nichts erzählt. „Da stellt sich die Frage, was man ihr überhaupt glauben kann“, sagt Markus Hertel.
„Meine Mutter hatte mir verboten, den Laptop mitzunehmen. Und ich habe Respekt vor meinen Eltern. Deshalb habe ich bei der Polizei nicht die Wahrheit gesagt“, rechtfertigt sich das Opfer. Der Vorsitzende Richter des Jugendschöffengerichts hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers. Ihm sollte eine Abreibung verpasst werden. Die Verletzungen seien belegt. Und auch die Abweichung in ihren Ausführungen sei nachvollziehbar: „Sie hat bei der Polizei etwas anderes gesagt, weil sie fürchtete, die Eltern machten Terz.“
Andreas B. sei bereit gewesen, wegen eines Seitensprungs drauf zu schlagen. Einen Raub könne man jedoch beiden Angeklagten nicht nachweisen. Wegen der vielen Vorstrafen sei eine Bewährung nicht möglich. Seine Frau bisher nicht einschlägig vorbestraft, habe den „hinterlistigen Plan“ jedoch eingefädelt. Sie kommt mit einer Bewährungsstrafe davon.
Andreas B. wurde bekannt, weil er als Jugendlicher mit einem gestohlenen Lastwagen quer durch die Niederlande raste, sich eine Hetzjagd mit der Polizei lieferte. Der damals 14-Jährige steuerte das Fahrzeug in eine Polizeisperre, ein Beamter starb. Während er noch die Haftstrafe absaß, folgte die nächste Anklage: Er habe einen Zellengenossen in der Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt „Ulmer Höh“ verprügelt und anschließend zum Oral-Verkehr gezwungen.
Im Oktober 2002 folgte die vorzeitige Entlassung: Der inzwischen 19-Jährige wurde wegen guter Führung zweieinhalb Jahre vor Ablauf seiner Haftstrafe auf freien Fuß gesetzt. „Brummi-Andi“ hatte während der Haft einen guten Hauptschulabschluss geschafft und eine Lehre zum Kfz-Mechaniker begonnen. Doch die guten Vorsätze hielten nicht an. Erneut wurde er ohne Führerschein erwischt und flüchtete vor der Polizei.
Mit 20 Jahren nahm er an einem Raubüberfall teil. Wieder wanderte er ins Gefängnis — bis Juni 2008. Im Oktober 2008 ging er den Beamten erneut ohne Führerschein ins Netz. Er wurde verurteilt, der Rest der Strafe jedoch wegen einer „günstigen Sozialprognose“ zur Bewährung ausgesetzt. Trotzdem fuhr er 2009 einmal mehr ohne Führerschein Auto und schlug einen vermeintlichen Nebenbuhler mit einem Warndreieck zusammen.
21 Monate Haft standen im Raum, Andi B. erschien mehrfach nicht zu den anberaumten Gerichtsterminen. Schließlich klickten die Handschellen, bei der Festnahme verletzte er mehrere Beamte. Seit April dieses Jahres sitzt Andi B., Vater einer zwei Jahre alten Tochter, in Untersuchungshaft.
Ob Andreas B. gegen das aktuelle Urteil des Amtsgerichts in Berufung geht, steht noch nicht fest.