Erkrather Anästhesist schreibt einen Kriminalroman
Bülent Yilmaz verarbeitete Details aus seinem Arbeits-Alltag. Fünf Jahre lang schrieb er an seinem Erstlingswerk.
Erkrath/Mettmann. Morgens um halb fünf Uhr — als alle anderen noch schliefen — schlich sich der Anästhesist Bülent Yilmaz ins Wohnzimmer. Er klappte seinen Laptop auf und schrieb und schrieb. Die Muse hatte ihn geküsst. Über fünf Jahre, in denen sein Erstroman reifte, kamen solch nächtliche Inspirationsblitze häufig vor und in der kreativsten Phase sogar sechs Wochen am Stück. Nun ist die Kriminalgeschichte unter dem vieldeutigen Titel „Kleine Tode“ niedergeschrieben — und Yilmaz kann endlich wieder durchschlafen.
Möglicherweise sind es nun die Leser, die die Nächte durchwachen, denn das Frühwerk ist ziemlich spannend. Lebenssaft tropft literweise auf den Seiten. Den Kopf oben zu behalten inmitten dunkelstem Übel heißt da die erste moralische Pflicht.
Ein weiterer Grund, der ihn zum Schreiben bewog, sei gewesen, den Patienten einmal Einblick in die sonst so abgekapselte Arbeitswelt der Narkoseärzte zu geben, schildert Yilmaz: „Wir sitzen auf der Grenze zwischen Leben und Tod, da wir oft auf operativen Intensivstationen tätig sind. Als junger Arzt wird man damit oft allein gelassen.“ Solche Erfahrungen hat auch der temperamentvolle Romanheld Selim Akkoyun zu reflektieren. Dass dieser türkisch-deutsche Anästhesist sein Alter Ego ist, gibt Yilmaz zurückhaltend zu: „Unsere Persönlichkeiten gleichen sich bedingt.“ Um ein passendes Szenario zu finden, erschuf der Autor das geschäftige Städtische Krankenhaus Düsseldorf. Das Treiben dort erinnert gleichwohl an den Alltag der Heinrich-Heine-Uniklinik, an deren rechtsmedizinischem Institut die Mordermittlungen im Roman ihren Lauf nehmen und an der Yilmaz sein Medizinstudium absolviert hat.
Bülent Yilmaz, Autor und Arzt
Überhaupt zeigt sich die Vita des Mittvierzigers recht schollenverbunden. Am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Hilden baute er einst sein Abi; sein Praxisbüro, von wo aus er zu Klinikeinsätzen in der gesamten Region startet, liegt in Solingen-Ohligs und mit seiner Frau und den beiden Kindern, denen er sein neues Buch gewidmet hat, lebt Yilmaz in Alt-Erkrath. In diesem Schallkreis um die A 46 bewegt sich auch seine Erzählung.
Mit dem Gruitener Waldschrat Klaus Grabow, der in Verdacht gerät, etwas mit dem grassierenden Blutrausch zu tun zu haben, zeichnete er den provinzspleenigen Charakter eines neanderländischen Originals, der nicht mehr aus dem Gedächtnis geht: „Und dennoch ist mein Roman kein Regionalkrimi.“ Mit den Schilderungen hart an der Realität des durchökonomisierten Gesundheitssystems könnte sich das Geschehen so oder ähnlich überall in Deutschland abspielen. Der Ansatz, dass das Haifischbecken namens Klinik zwischen Machtspielen und Barmherzigkeit eigenen Gesetzen folgt, steht „Kleine Tode“ in der Tradition großer Weißkittel-Phantasmen wie dem amerikanischen „House of God“ von Samuel Shem samt dessen Jungärzte-Weisheit: „Sie können dich immer noch mehr quälen.“ Oder dem dänischen „Hospital der Geister“ von Lars von Trier, der nach jedem Kapitel zur Tapferkeit aufrief: „Seien Sie bereit, dem Guten wie dem Bösen zu begegnen.“
Bei Yilmaz wird der Medizintrubel gar hochphilosophisch, wenn Phänomene wie Bewusstsein, Religion und Seelenhaftigkeit während der Behandlung ganz neu überdacht werden müssen. Um seine wissenschaftlichen Publikationen gesondert zu halten, hat Yilmaz sein Prosastück unter dem Pseudonym B.Y. Clarke veröffentlicht. Die beiden ersten Buchstaben sind seine eigenen Initialen und Clarke ist der Nachname seiner Frau: „Als wir geheiratet haben, habe ich nicht dran gedacht, ihren Namen anzunehmen. Dabei wäre es total cool gewesen, wenn es heißen würde: Doktor Clarke, bitte in den OP!“