Handwerk bietet Azubis eine gute Zukunft
Eine Ausbildung im Handwerk steht bei jungen Menschen nicht ganz oben auf der Wunschliste. Zu Unrecht, wie diese Azubis beweisen.
Erkrath. Die beiden Brüder Jürgen und Frank Nicolay haben bei ihrem Vater das Schreinerhandwerk gelernt. Frank Nicolays Sohn Johannes (17) absolviert derzeit eine Ausbildung im familieneigenen Betrieb. Johannes ist im zweiten Lehrjahr: „Als Sohn eines der beiden Chefs werde ich strenger beurteilt als andere Azubis.“ Aber es gibt vom Vater den einen oder anderen Extra-Hinweis. Trotz Meister-Bafög gibt es aus der Sicht des Handwerks immer noch eine Unwucht zwischen den Ausbildungssystemen: „Studieren kann man kostenlos, wer im Handwerk seinen Meisterbrief machen will, muss erst einmal bis zu 15 000 Euro auf den Tisch legen“, sagt Seniorchef Frank Nicolay. Es säßen halt zu wenige Handwerksmeister im Bundestag. Einen Tipp hat er seinen beiden Söhnen mit auf den Berufsweg gegeben: So früh wie möglich die Meisterschule zu absolvieren. Denn dann sei die Lücke zum Theoriewissen aus der Berufsschule am geringsten. Das Schreiner-Handwerk selbst sei vielfältiger als die Geschichte von Meister Eder und Pumuckl vermitteln. „Wir haben es neben Holz mit Kunststoff, Glas, Stein und Metall zu tun.“ Möbel auf Maß zu fertigen erfordert Wissen aus Statik und Architektur. „Wer bei uns ein Praktikum absolviert hat, staunt über die Vielfalt.“ Und wer sich dabei einigermaßen talentiert anstellt, hat gute Chancen, für eine Schreiner-Ausbildung in Frage zu kommen. „Es ist einer der schönsten Berufe der Welt“, sagen Vater und Sohn.
Eine Top-Bewerbungsmappe, gute Noten? Für Maler-Meister Axel Nölling ist das wichtig, aber: „Die Mappen sind mittlerweile standardisiert und verraten nicht mehr viel über den Menschen.“ Neben den Formalien komme es aber sehr auf den Menschen an. Beispiel eins war Absolvent einer Sonderschule. Er machte bei Nölling ein Praktikum und fragte immer danach, was in welchem Handwerksberuf zu verdienen sei, denn er wolle mal Millionär werden. „Ich habe ihm dann erklärt, dass es nicht darauf ankommt, sondern dass man Spaß haben sollte an seinem Beruf“, sagt Nölling. Die Sache mit der Million ergebe sich dann viel leichter. Kurze Zeit später bewarb sich dieser junge Mann um eine Ausbildung. Und absolvierte sie, hoch motiviert. „Mich hat beeindruckt, dass er selbst aktiv wurde, als sich in der Berufsschule Defizite auftaten“, sagt Nölling, der den 110 Jahre alten Familienbetrieb in vierter Generation führt. Demnächst startet der Geselle zu einem Vorkursus für den Meisterbrief. Beispiel zwei: Ein Nachzügler hatte sich bei Nölling beworben. Im Vorstellungsgespräch fragte der Maler nach den persönlichen Neigungen denn: “ Wer in seiner Freizeit für etwas Leidenschaft entwickelt, wird dies auch im Beruf tun. Der Bewerber spielte bei jedem Heim- und Auswärtsspiel von Fortuna Düsseldorf eine große Pauke auf den Rängen. Er bekam eine Chance und nutzte sie.
Thomas Reys hat zwei Ausbildungen und zwei Meisterbriefe machen müssen. 2003 wurden zwei Handwerksberufe zu einem zusammengefasst: Aus dem Sanitärinstallateur, dem Heizungs- und Lüftungsbauer wurden der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Klassisches Rohrbiegen trifft modernste, computergesteuerte Haustechnik. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre. „Und dafür brauchen wir nicht die Kandidaten mit den Einsern auf dem Zeugnis, sondern angehende Gesellen, die etwas lernen wollen.“ Auf Bewerber zu warten, macht für den 57 Jahre alten Fachbetrieb „Reys Haustechnik“ keinen Sinn. Neulich informierte einer der derzeit fünf Azubis in der Carl-Fuhlrott-Hauptschule 45 Minuten lang über den Beruf. Offenbar kam der Vortrag gut an. „Am Tag danach meldete sich ein Schüler für ein Praktikum“, berichtet Reys. Solch eine Eigeninitiative zählt. „Bei den Azubis darf man nie vergessen, dass die noch mitten in der Entwicklung stecken“, sagt Reys. Das bedeutet keine Generalentschuldigung für jeden Schlendrian, das kann sich ein Unternehmen mit 21 Beschäftigten nicht leisten. Aber man müsse ihnen manchmal Zeit lassen. „Bei den meisten macht es im zweiten Lehrjahr klick“, hat Reys beobachtet. Wer weiß, wofür er etwas berechnet, komme plötzlich auch mit der bis dahin ungeliebten Mathematik klar. Und wer Probleme von Kunden löse, gewinne zusätzliches Selbstvertrauen.