Noch viel Arbeit in Hilden und Haan Hochwasserschäden noch nicht beseitigt
Hilden/Haan. · Vor sechs Monaten standen große Teile von Hilden und Haan unter Wasser. Noch konnten nicht alle Schäden beseitigt werden. Die Feuerwehr bekommt zusätzliche Geräte für den Hochwassereinsatz.
(tobi) Reinhold Brüning ist eigentlich ein fröhlicher Mensch. Doch momentan schlägt ihm die Situation aufs Gemüt: Seit dem verheerenden Hochwasser am 14. Juli 2021 sind die Aufzüge in dem Wohnkomplex am Nove-Mesto-Platz defekt, Brüning kann als Rollstuhlfahrer nur mittels Trageservice aus seiner Wohnung ins Erdgeschoss getragen werden, muss sich aber rechtzeitig anmelden. „Es hieß erst, dass die Aufzüge bis Weihnachten wieder funktionieren“, sagt er. Doch das hat nicht geklappt. Brüning selbst hat den Trageservice schon ein paar Mal genutzt. Um Ärzte zu besuchen. Um Behördengänge zu machen. Aber bei schönem Wetter einfach mal spontan eine Runde durch die Innenstadt zu drehen, das ist nicht möglich. Eine Nachbarin sei sogar seit der Flut Mitte Juli nicht mehr auf die Straße gekommen. „Das zehrt an den Nerven“, sagt Reinhold Brüning.
Vor genau sechs Monaten, am 14. Juli 2021, überrascht der Starkregen die Hildener und Haaner in der Nacht. Die Feuerwehr ist ab etwa 1 Uhr im Dauereinsatz, der erst Tage später beendet sein wird. Zunächst laufen einige Keller voll, dann treten die Bäche über die Ufer. In großen Teilen Hildens und in Gruiten steht das Wasser in den Straßen und in den Häusern. Verzweifelte Menschen schöpfen es mit Eimern aus den Räumen. Wo der Strom nicht abgestellt ist, surren Pumpen. Nachbarn helfen Nachbarn. Feuerwehr- und Hilfsdiensteinheiten aus ganz NRW werden nach Hilden beordert. Das ganze Chaos wird erst am nächsten Tag deutlich.
In Gruiten tritt die Düssel über die Ufer, noch sind nicht alle Reparaturarbeiten abgeschlossen. Am Nove-Mesto-Platz in Hilden laufen Tiefgarage und Keller voll Wasser. 130 Autos und Motorräder stehen zu diesem Zeitpunkt noch auf den Stellplätzen. Im Untergeschoss sitzt auch die Technik für die Aufzüge. Alle 15 werden durch das Wasser in Mitleidenschaft gezogen. Die Reparatur dauert lange: „Aufgrund von Lieferengpässen bei der Materialbeschaffung und der Notwendigkeit von zusätzlichen Stromanschlüssen für die De- und Montagearbeiten ist es zu einer Zeitverzögerung gekommen. Zurzeit werden von der ausführenden Aufzugsfirma die Bauzeitenpläne aktualisiert, damit neue Fertigstellungstermine geplant werden können“, erklärt die Sprecherin des Immobilienunternehmens Vonovia, Bettina Benner. „Ein konkreter Fertigstellungstermin kann leider zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genannt werden.“ Reinhold Brüning und die anderen Bewohner, die auf die Aufzüge angewiesen sind, müssen also noch warten.
Die Tiefgarage am Nove-Mesto-Platz kann ebenfalls noch nicht benutzt werden. Dort ist die Verkehrsgesellschaft der Stadtwerke verantwortlich: „Der defekte Boden im Zuständigkeitsbereich der Verkehrsgesellschaft Hilden wurde herausgefräst. Da geht es jetzt weiter mit der Sanierung. Andere Maßnahmen sind beauftragt und folgen dann, wie die Erneuerung des Aufzugs, die Sprinkleranlage, die CO-Warnanlage, um nur einige zu nennen“, erklärt Stadtwerke-Chef Hans-Ullrich Schneider. „Wir hoffen, dass es möglich ist, im Mai öffnen zu können.“ Die Schadenshöhe werde wahrscheinlich die Millionengrenze überschreiten.
Vorausschauend haben die Stadtwerke einen Aufzug eingebaut, der den Motor oben sitzen hat und bei Hochwasser automatisch hoch fährt, erklärt Schneider. Außerdem gebe es „erste Überlegungen zum Hochwasserschutz, diese müssen aber noch mit allen Eigentümern des Komplexes Nove-Mesto-Platz abgestimmt werden, bevor die nächsten Schritte erfolgen können.“
Das Hochwasser trifft aber nicht nur den Komplex am Nove-Mesto-Platz, sondern Menschen in ganz Hilden und Haan. Durch das Wohnzimmer der Familie Breer im Hildener Norden beispielsweise läuft am 14. Juli der Hoxbach. Wilfried Breer macht dem Bergisch-Rheinischen-Wasserverband (BRW) Vorwürfe, Ufer und Bett des Gewässers nicht ordentlich gepflegt zu haben. „Wir wohnen jetzt seit knapp 50 Jahren hier, und ich habe noch nie einen BRW-Mitarbeiter bei Gewässer- oder Uferwartung gesehen“, sagt er. Der Hildener hat sich an Stadt und BRW gewandt und seine Kritikpunkte geäußert, aber auch Vorschläge gemacht, die Situation zu entschärfen. Doch ohne Erfolg, wie Breer sagt. „Es bewegt sich nichts und niemand.“ Die Enttäuschung über BRW und Stadt sitzt tief.
Die Stadt Hilden kümmert sich auch sechs Monate nach dem Hochwasser noch um die Beseitigung aller Schäden an öffentlichen Gebäuden. „Viele Schäden konnten in der Zwischenzeit repariert und beseitigt werden, wie zum Beispiel Aufzug und elektrische Anlage in der Stadtbücherei am Nove-Mesto-Platz. Jedoch sind noch nicht alle Schäden beseitigt“, erklärt Bürgermeister Claus Pommer. Insbesondere die Instandsetzungsarbeiten an den Gebäuden des Grundschulverbunds Beethovenstraße hätten zwar bereits große Fortschritte gemacht, seien aber noch nicht abgeschlossen. „Durch den Wassereinbruch wiesen Bodenbeläge und Wände Feuchteschäden auf, die teilweise trotz kurzfristiger Trocknungsmaßnahmen in den betroffenen Bereichen auch zu Schimmel führten. Auch wurden die beiden Heizkesselanlagen, die sich im Keller unter der Sporthalle befinden, komplett zerstört.“
Und wie bereitet sich die Verwaltung auf zukünftige Unwetter vor? Die Stadt habe sich bereits vor dem 14. Juli intensiv mit dem Thema Starkregen auseinandergesetzt und beispielsweise ein Handlungskonzept erarbeitet. „Nun geht es darum, das Handlungskonzept zu konkretisieren und unsere Gebäude hinsichtlich von Schwachstellen zu analysieren“, sagt Pommer. Und: „Die ortsnahe Versickerung des Niederschlagswassers ist seit Mitte der 1990er Gegenstand jeder neuen Bauleitplanung gewesen. Auch werden auf Grundlage des Abwasserbeseitigungskonzeptes seit vielen Jahren die Rückstaukapazität im Regenwasserkanalnetz erhöht – zum Beispiel durch den Bau von weiteren Regenrückhalte- und -behandlungsbecken oder durch neue Kanäle mit größerem Durchmesser, um die Wassermengen, die aus dem Kanalnetz in die Gewässer eingeleitet werden, zu reduzieren.“ All diese Maßnahmen könnten aber private Vorsorgemaßnahmen nur ergänzen und nicht ersetzen. „Jede und jeder ist verpflichtet, durch Maßnahmen ,ihr‘ oder ,sein‘ Gebäude vor potentiellen Überflutungen zu schützen. Auf der städtischen Internetseite haben wir neben der Veröffentlichung der Starkregenkarte entsprechende Informationen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, veröffentlicht.“
Um im Fall der Fälle noch besser gerüstet zu sein, wird die Feuerwehr wird zusätzliche Technik für Hochwassereinsätze anschaffen, erklärt der Bürgermeister weiter. „Es werden zwei Hochwassermodule mit Tauchpumpen und Stromerzeuger beschafft.“
Auch wenn ihn die persönlichen und wirtschaftlichen Notlagen, in die viele Hildenerinnen und Hildener geraten sind, weiterhin betroffen machten und beschäftigten, hätten ihn zwei Dinge beeindruckt, sagt Claus Pommer: „Zum einen die professionelle und engagierte Arbeit unserer Feuerwehr, des THW und der anderen Hilfsorganisationen sowie auch die schnelle und unbürokratische Abwicklung der Soforthilfen durch unsere Verwaltung. Zum anderen haben wir in Hilden eine besondere Hilfsbereitschaft und Solidarität der Menschen erlebt – ob durch Nachbarn, Vereine oder auch viele Privatpersonen. Es tut gut, so etwas zu erleben.“
Mit seiner Familie sei er auch noch privat stark vom Hochwasser betroffen gewesen: „Wo einmal unser Schafzimmer und unser Bad im Keller waren, ist immer noch ein Rohbau, in dem Trocknungsgeräte und Ventilatoren stehen. Aber es geht voran.“