Ausstellung erinnert an den Kalkabbau

Im Gruitener Haus Am Quall ist zwei Wochen lang eine Schau über die Zeit des Kalkabbaus zu sehen, der vor 50 Jahren endete.

Foto: Ralph Matzerath

Haan-Gruiten. Woher der Seilbahnweg im Wohngebiet Düsselberg seinen Namen hat, warum andere Wege Sinterstraße, An den Loren oder Muschelkalkweg heißen, das kann nachvollziehen, wer sich im Haus Am Quall die Ausstellung „Total verkalkt — Gruitens weiße Vergangenheit“ ansieht. Sie wurde gestern eröffnet und ist zwei Wochen lang zu sehen. Anlass für die neuerliche Präsentation der im Kern vor zehn Jahren konzipierten Ausstellung: Vor 50 Jahren endete die Zeit des Kalkabbaus in Gruiten.

Foto: Heinz Hedrich

Und offenbar sehr plötzlich: „Ich war an der Mosel im Urlaub und traf zufällig einen Gruitener. Der erzählte, dass die Kalkwerke zumachen“, erinnert sich Hans-Josef Herring. Der damals 26-jährige Betriebsschlosser hatte Tage zuvor noch nichts erfahren. „1965 hatten wir noch rund um die Uhr neue Drehöfen in der Sinterei montiert“, wundert sich Herring noch heute. Und auch Herbert Orzechowski, 15 Jahre lang Baggerführer im Steinbruch, war völlig überrascht von der Nachricht. „Wir haben bis zum letzten Tag gebaggert — und dann war plötzlich Schluss!“ Die Arbeiter protestierten im Autokorso — ohne Erfolg. Manche wurden weiter bei Rheinkalk beschäftigt, andere kamen bei anderen Firmen unter oder orientierten sich beruflich völlig neu. „Mancher der Alten hatte Tränen in den Augen, als das hier vorbei war“, erinnert sich Orzechowski.

Die Erinnerungen der alten Kalkwerker machen die Ausstellung lebendig, die viele alte Aufnahmen aus der Kalkzeit bietet. Die Fotos, zum Teil aus den Archiven von Rheinkalk, zeigen aber auch auf, wie sehr Gruiten damals von der Kalkindustrie geprägt war.

Herbert Orzechowski, ehemaliger Baggerführer im Steinbruch

Weil inzwischen buchstäblich — nicht nur — Gras über die Narben gewachsen ist, die die Sprengungen ins Gebirge geknabbert haben, hilft nicht nur der gedruckte Wanderführer der Erinnerung oder der Erkenntnis über Vergangenes auf die Sprünge. Hochmodern sind die Wanderungen auf den Spuren des Kalks als App (www.guidemate.de) aufgearbeitet, die GPS-gesteuert Ton und Bild abspielt. Da ist zum Beispiel zu erfahren, dass die Zaunpfähle am Weg durch die Ehlenbeck aus alten Schienen der Kalkwerksbahn geschnitten wurden. Oder der Wanderer erfährt, dass eine der beiden Düsselbrücken im Tal „Schnapsbrücke“ hieß, weil sich die Arbeiter nach dem Mittagessen mit einem Schnäpschen für die nächste Schicht stärkten. Die meisten derjenigen im Förderverein Haus Am Quall, die die Kalkgeschichte aufarbeiteten, sind Zugereiste. „Man muss wohl von außen kommen, um den Einheimischen zu sagen, welche Perlen es gibt“, merkte Rolf Feldbrügge, gebürtiger Gruitener, an, der die ausgehende Kalkzeit in seiner Kindheit erlebte.

Die Arbeit an der Kalkvergangenheit war vor 14 Jahren ein Weg, den die Vereinsaktiven nach der über Jahre bewältigten Sanierung des Hauses Am Quall anpackten. Bei der Überarbeitung der Ausstellung besuchten sie auch die noch erhaltenen „Originalschauplätze“ — und waren zum Teil erschüttert, in welch „erbärmlichen Zustand“ (Feldbrügge) sie sich befinden.