Die Itter: Lebensader und Abwasserkanal zugleich
Das Flüsschen verhalf Hilden zu wirtschaftlichem Aufschwung. Und doch leitete die Industrie ihren Müll hinein.
Hilden. Die Stadt Hilden führt die Itter in ihrem Wappen. Dabei ist der Bach alles andere als ein Naturidyll. Er schlängelt sich nur etwa 20 Kilometer von seinem Ursprung bei der Bandesmühle in Solingen-Gräfrath bis zu seiner Mündung in den Rhein. Gleichwohl liegen auf diesem relativ kurzen Stück gleich drei Klärwerke in Gräfrath, Ohligs und Hilden. Sie leiten ihr geklärtes Abwasser in die Itter. Das Wasser ist chemisch in Ordnung, aber nicht hygienisch. Das liegt an der fünfprozentigen Restbelastung mit Bakterien und Viren aus den Kläranlagen. Wer Itterwasser trinkt, stirbt nicht, bekommt aber mit ziemlicher Sicherheit Durchfall.
In Trockenzeiten im Sommer besteht schon mal 80 Prozent des Itterwassers aus gereinigtem Abwasser. Man kann es auch so sehen: Die Klärwerke sorgen dafür, dass die Itter nie trocken fällt.
Starke Verschmutzungen gehören zur Geschichte des Baches, hat der Haaner Manfred Kohl für sein Buch „Entlang der Itter von der Quelle bis zur Mündung“ recherchiert. Schon um das Jahr 1000 sei die Itterquelle bei Haus Grünewald zur Entsorgung von Gülle missbraucht worden. 200 Jahre später wurde sie als „Heiliger Born“ unterirdisch bis zum Ortsrand von Gräfrath geleitet, weil das allmächtige Kloster Bauland benötigte.
Färbereien in Ohligs nutzten im 19. Jahrhundert den Itterbach, um ihr Abwasser zu entsorgen. Daraufhin hagelte es Proteste — ausgerechnet von einer Hildener Färberei, die sauberes Wasser brauchte. Es folgten Beschwerden, Anfragen, Eingaben, Klageandrohungen, Wasseranalysen. Sauberer wurde die Itter aber erst, als die Umweltverschmutzung allerhöchsten Kreisen zu viel wurde.
Landesherr Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz hatte sich das Itterwasser nämlich einfach einverleibt. Er leitet die Itter um und speiste damit die Wasserspiele und Teiche von Schloss Benrath (von 1755 bis 1773 erbaut). Seitdem nahm der Bach einen anderen Lauf: Früher endete er bei dem Dorf Itter im Rhein, nach dem Bau des barocken Lustschlosses bei dem Fischerdorf Urdenbach. 1844 beschwerte sich das Hof-Marschall-Amt Berlin bei den Bürgermeistern der Anlieger-Gemeinden. Die Teiche im Schloss Benrath hätten derart zum Himmel gestunken, dass seine Majestät, der Kaiser, im Park nicht habe lustwandeln können. Das zeigte Wirkung. Schon am 1. Oktober 1844 wurde ein „Polizei-Reglement für den Itterbach im Bereich der Bürgermeistereien Hilden und Benrath“ erlassen. Kläranlagen entstanden und die Itter wurde langsam wieder sauber, wenn auch nicht rein.
Ab Hilden windet sich die Itter durch ein steinernes Korsett. Wegen des Hochwasserschutzes wurde sie begradigt und kanalisiert. In ihrem Einzugsgebiet leben rund 200 000 Menschen. Das sind großstädtische Verhältnisse, die man dem Bach gar nicht ansieht. Auf Hildener Stadtgebiet wurde die Itter schon mehrfach renaturiert. Mehr geht nicht, hat der zuständige Bergisch-Rheinische Wasserverband mit Sitz in Haan deutlich gemacht. Die befestigten Ufer müssen bleiben, sonst drohen Überschwemmungen. So wie zwischen 1957 und 1961, als die Itter mehrfach Teile der Innenstadt unter Wasser setzte.
Heute mündet die Itter in einem unterirdischen Kanal in Höhe der Benrather Rheinterrasse in den Rhein. Die eigentliche Mündung ist nur bei extremem Niedrigwasser zu sehen. Ansonsten liegt sie unter Wasser. Der BRW plant im kommenden Jahr, die Mündung naturnah umzugestalten, damit auch künftig Fische aus dem Rhein in die Itter schwimmen können. Dafür muss ein Höhenunterschied von neun Metern überwunden werden. Das soll mit einer Fischtreppe gelingen. Sie hat 61 Stufen und soll 202 Meter lang werden. Dazu wird das Bachbett entlang des Benrather Schlossparks umgestaltet und der Itter-Deich (in der Nähe des Ulmenkopfes) saniert. Peter Schu, stellvertretender Geschäftsführer des BRW, schätzt die Baukosten auf etwa sechs Millionen Euro.