Eltern-Dankesbrief ist 153 Jahre alt

In den Gruitener Archiven ist jetzt ein 150 Jahre alter Dankesbrief gefunden worden. Es gelang Lothar Weller, ihn zu entziffern.

Eltern-Dankesbrief ist 153 Jahre alt
Foto: Gruitener Archive

Haan. Dass Kinder ihren Eltern schriftlich danken, ist offenbar nicht aus der Mode gekommen. Das Internet liefert eine Fülle von Vorlagen für die verschiedensten Anlässe. Die Texte, die die Kinder für ihren Dank an die Eltern verwenden, müssen also nicht zwingend ihrem eigenen Kopf entsprungen sein. Aber auch schon vor 150 Jahren war es im Grunde nicht anders. Auch damals waren Musterbriefe im Umlauf und mussten einfach nur abgeschrieben werden. Nur eben nicht vom PC, Laptop, Tablet oder Smartphone, sondern von einer Papiervorlage. „Wer in seiner Kindheit ein Poesiealbum hatte und selbst einen Vers in ein anderes eintrug, der kennt das Abschreibeprinzip noch aus eigenem Erleben“, sagt Lothar Weller mit einem Augenzwinkern.

Ein Dankesbrief aus der Zeit vor 150 Jahren hat sich im Archiv Breidbach erhalten. Geschrieben wurde er in Gruiten zum Neujahrstag 1864. Lothar Weller hat die alte Schrift entziffert und im Klartext notiert: „Liebe Eltern! Mein Herz ist immer von Liebe und Dank gegen Sie erfüllt. Heute aber erinnere ich mich lebhafter als je aller Liebe und Güte, die Sie mir stets erwiesen. Sie haben so liebevoll immer für mich gesorgt, so sorgsam Alles, was mir schaden könnte, von mir entfernt und mich zu allem Guten geführt. Innig gerührt erkenne ich die Größe Ihrer Liebe, und ich werde mich aus allen Kräften bestreben, mich derselben durch kindlichen Gehorsam, anhaltenden Fleiß, musterhaftes Betragen immer würdiger zu machen. Möge der liebe Gott Sie diesen Festtag noch recht oft so wohl und glücklich erleben lassen, wie es von Herzen wünscht Ihre dankbare Tochter Karoline Schickenberg. Gruiten, den 1. Januar 1864.“

Was bei diesem Brief sofort ins Auge fällt, ist das „Sie“, mit dem die Eltern angesprochen werden. Die Kinder damals schrieben ihren Eltern aus einer viel größeren „Distanz“ als die heutigen, weiß der Archivar zu berichten.

Heute würde der Brief wohl auch nicht unbedingt mit „Liebe Eltern“ beginnen, sondern vielleicht mit „Hi Mom, hi Dad“. „Der größte Unterschied zu heute scheint mir aber im zweiten Teil des Briefes zu liegen, denn nach dem Dank an die Eltern werden ausdrücklich die ,Gegenleistungen’ erwähnt: Gehorsam, Fleiß und musterhaftes Betragen.“ Spätestens hier werde klar, dass die Briefvorlagen nicht von Kindern, sondern von Erwachsenen verfasst wurden, die an dieser Stelle ihre eigenen Wünsche als Eltern den Kindern in den Mund gelegt haben. Red