Es werden jedes Jahr mehr Möhnen
Nahezu 100 Möhnen drängten gestern um 11.11 Uhr ins Rathaus, um sich den Schlüssel zu holen — mit Erfolg.
Haan. Eigentlich waren sie im Rathaus gut gerüstet: Um 10 Uhr sammelten sich die Mitarbeiter der Bürgermeisterin vor dem Saal, stärkten sich mit Brezeln, Berlinern und Sekt — und doch waren sie diesem Sturm nicht gewachsen. Nahezu 100 Möhnen skandierten „Bettina“-„Bettina“ und drängten unter lautem Helau pünktlich um 11.11 Uhr die breite Treppe hinauf, vorbei an den bunten Fenstern, in denen zwei Sinnsprüche eingelassen stehen. „Nicht zu Liebe“ und „Nicht zu Leide“ heißen sie und wollen wohl die Unabhängigkeit des Rates gegenüber den Bürgern ausdrücken. Eine Unabhängigkeit, die an Altweiber ungültig ist: Die Möhnen wollen den Schlüssel, die Verwaltung darf ihn nicht herausgeben. Und wieder muss es heißen: eigentlich. Denn die jecken Frauen wurden nicht etwa abgewiesen, sondern freudig begrüßt und sofort mit Schnaps versorgt.
„Wir wollten einfach mal sehen, wie die neue Bürgermeisterin so ist“, sagten die Ladys in Pettycoats. Und: „Sie lacht eindeutig mehr als ihr Vorgänger Knut vom Bovert.“ Marion Pähn, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt war ganz selig ob der Masse Möhnen: Vor 30 Jahren habe noch kein Haaner Helau gerufen — und jetzt das!
Katja Simovic-Müller, Gastronomin vom „Vicis“, wo sich die Möhnen immer vor dem Sturm treffen, erinnert sich ebenfalls bestens: „Es begann einmal mit acht Weibern...“ Ihre Mutter, Silvia Simovic, legte einst den Grundstein für die jecke Tradition, seitdem begrüßt sie jedes Jahr mehr Möhnen beim „Vorglühen“ im „Vicis“ schräg gegenüber des Rathauses. Dort herrschte gestern Vormittag reges Treiben: Die Teilnehmerinnen des Rathaussturms stärkten sich mit Kaffee, Sekt, Bier und Co. für die Aufgabe, die vor ihnen lag. „Wir regieren für ein paar Tage die Stadt“, bringt Silvia Simovic auf den Punkt, was den Reiz der Weiberfastnacht in der Gartenstadt ausmacht. Die Vorbesprechung am Mittwoch weckte bereits Sympathien für die neue Chefin des Rathauses bei den Möhnen. Für Moni Ihlefeld stand daher fest: „Ich bin mir sicher, die im Rathaus haben gleich bestimmt einen Heidenspaß!“
Während einige jüngere Jeckinnen einen kurzen Fußweg zur Walder Straße hatten, kam Sabrina Sonntag extra aus Solingen und schloss sich ihrer Freundin Sandra Vedder an. „Hier herrscht eine unvergleichbare Stimmung“, waren sie sich einig. Doch warum Haan und nicht Solingen? „Da gibt’s keinen Rathaussturm. Und unsere Männer spielen ohnehin zusammen Handball beim HTV. Da liegt es auf der Hand, in Haan zu feiern.“ Etwas schade fanden sie es dagegen, dass sie auf eine liebgewonnene Tradition verzichten müssen: „Knut ist ja nicht mehr Bürgermeister. Also kann er auch keine Bützchen mehr verteilen.“
Die Bürgermeisterin jedenfalls hatte ihren Spaß als Gärtnerin der Gartenstadt, begleitet von den Gartenzwergen Jens Niklaus und Klaus Mentrop, ihren Stellvertretern. Sie tanzten ausgelassen mit dem Kinderprinzenpaar, Justin und Nina, samt Hofdamen Angelina und Jasmin und dem Maskottchen Isabell. Und der Schlüssel? Den gab Warnecke nahezu kampflos her, als Möhne Silvia ihn einforderte. „Ist doch klar“, befand sie dabei. „Ich bin doch selbst ne ’Möhne!“