Familie ist angekommen — bei Christen

Seit einem Jahr lebt eine syrische Flüchtlingsfamilie im Haaner Pfarrhaus. Sie berichtet von ihren Erfahrungen.

Foto: Staschik

Haan. Seit rund einem Jahr wohnt die sechsköpfige syrische Flüchtlingsfamilie rund um Vater Rassam, Mutter Alin, den Söhnen Simon (4) und Kress (8) und den Großeltern Bokos und Maria im Haaner Pfarrhaus an der Königstraße. Sie sind hier angekommen — in Sicherheit und der Gewissheit, dass ihnen erst mal nichts mehr passieren kann. Nur manchmal holt sie die schreckliche Situation, vor der sie aus Syrien flohen, noch ein. Im Traum zum Beispiel.

„Dann habe ich manchmal noch Angst“, sagt der achtjährige Kress. In Syrien, da wurden sie verfolgt, weil sie Christen sind. Jetzt leben sie bei einem Christen. Pfarrer Reiner Nieswandt hat sie aufgenommen. Sie sind angekommen, im Schoß ihrer Religion wurden sie aufgenommen. „Auch wenn nicht alles so ist wie in der syrischen Kirche“, weiß Nieswandt. „Die Messen laufen hier anders ab“, erklärt er. Und es sei oft schwierig mit der Sprache, gibt Rassam in gebrochenem Deutsch zu verstehen. Der kleine Kress versucht zu übersetzen, wenn der Vater mal nicht weiter weiß. Aber manchmal weiß auch er nicht weiter. Dann ist es schwierig, Antworten zu finden. „Das Wort Heimat gibt es im Arabischen so nicht“, weiß Nieswandt zu helfen.

Ob es für ihn nun sein zu Hause sei? „Ja, wir sind jetzt hier zu Hause“, sagt Vater Rassam. Damit die Chance auf einen Job steigt, gehen Rassam und Alin zum Deutschunterricht. Dreimal in der Woche fahren sie dafür nach Hilden. Rassam ist Schweißer, wann und ob er irgendwann wieder in seinem Beruf arbeiten kann, das vermag heute niemand zu sagen. Ihre Hoffnungen ruhen natürlich auch auf den Kindern. Sie lernen die deutsche Sprache weitaus schneller, haben die Chance auf eine gute Ausbildung. „Die Schule ist schön“, findet Kress. Er habe dort viel Spaß und so viele Freunde. Dabei hebt er stolz beide Hände und streckt alle zehn Finger aus. Sein Bruder Simon hat gerade Besuch von einem Kindergartenfreund. Die beiden schauen fern, es läuft eine Sendung auf dem Kinderkanal.

Um das Ankommen im fremden Land weiter zu erleichtern, „helfen viele aus der Gemeinde und insgesamt aus der Stadt mit“, sagt Pfarrer Nieswandt. Unterstützung bei Amtsgängen oder Arztbesuchen gehört dazu. „Wir wollen und müssen den Leuten deutlich machen, dass sie hier willkommen sind“, betont Nieswandt. „Wir sind eine gute Hausgemeinschaft, trinken manchmal Tee zusammen“ und etwas zu essen bekäme er auch hin und wieder heruntergereicht. Es ist wieder eine Art von Normalität, die sie hier in Haan gefunden haben. „Wir können einkaufen oder einfach spazieren gehen“, erklärt der Vater.

Sie können teilhaben am Leben. Das betonen sie immer wieder: Sie können raus. Raus aus dem Haus, ohne Angst vor Bomben oder Schüssen. „Wir gehen oft rüber zum Spielplatz“, sagt Rassam. Dort, im Park, können Kress und Simon toben. In Deutschland, in Haan, ist die Familie schon angekommen. Und langsam kommen sie auch im Leben und in der Gesellschaft an.