Gastronomie in Haan „Wir bekommen Feuer von allen Seiten“

Haan · Der Haaner Top-Gastronom Alexander Unger („Becherhus“) schildert anschaulich, warum momentan so viele Restaurants und Kneipen „in die Knie gehen“.

Alexander Unger, Geschäftsführer des „Becherhus“ an der Kaiserstraße, ist Gastronom mit Leib und Seele.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Es ist jetzt etwa 40 Jahre her, dass Alexander Unger angefangen hat, in der Gastronomie zu arbeiten. Er hat viele verschiedene Jobs ausgefüllt und Projekte umgesetzt, ehe er vor einigen Jahren das „Becherhus“ an der Kaiserstraße 47 übernahm und zu einem der beliebtesten Lokale in der Gartenstadt machte. An Gästen mangelt es nicht, im Gegenteil – an manchen Tagen weiß Unger kaum, wie er den Ansturm mit seinem Personal auffangen soll.

Der Mann hat Erfolg – und sagt dennoch im Brustton der Überzeugung: „Wenn ich nicht von ganzem Herzen Gastwirt wäre, hätte ich bestimmt schon die Brocken hingeworfen.“ Stattdessen beobachtet er, wie ein Lokal nach dem anderen schließen muss, sich an den Gegebenheiten, unter denen Gastronomie heutzutage in Haan (aber auch anderswo) arbeiten muss, nicht verbessert – im Gegenteil: „Wir Wirte bekommen es gerade knüppeldick von allen Seiten“, sagt Alexander Unger.

Personal

Dass während der Corona-Jahre manch ein Betrieb das komplette Personal verloren hat, ist bekannt. Aushilfen, berichtet Unger, seien seitdem um etwa 30 Prozent teurer geworden, was wiederum auch die fest angestellten Kräfte nicht gerade begeistert auf ihre eigene Situation blicken lässt.

Kosten

Mieten und Energiekosten sind bekanntermaßen stark gestiegen. Für das „Becherhus“ macht sich das allerdings noch weitaus umfangreicher bemerkbar: „Wir beziehen unsere Produkte aus der Region, das ist unser Qualitätsmerkmal“, betont der Haaner Gastwirt. „Aber unser Kartoffellieferant, bei dem wir pro Jahr zwölf bis 15 Tonnen beziehen, musste beispielsweise innerhalb von zwei Jahren seine Preise um 40 Prozent erhöhen.“ Und er sei nicht der Einzige: „Das können wir ja nicht einfach auf den Preis für unsere Gerichte aufschlagen“, sagt Unger. Und auch der Preis für Gastronomieflächen bei der Haaner Kirmes kenne nur einen Weg: nach oben.

Bürokratie

Von Antragswesen bis Rohgewinnaufschlag – wer heutzutage eine Gaststätte führt, sollte Unger zufolge am besten auch Experte in Steuer-und Betriebsrecht sein.

Gäste

Auch in diesem Bereich hat Alexander Unger feststellen müssen, dass die Ausgangslage schwieriger geworden ist. Er nennt ein Beispiel: „Da rufen Leute beispielsweise Freitagsmittags an, um für denselben Abend einen Tisch für acht Personen im Biergarten zu reservieren –, aber in einer ruhigen Ecke‘. Wenn du denen erläuterst, dass es dort keine ruhige Ecke gibt und wir froh sind, überhaupt noch so viele Plätze zur Verfügung stellen zu können, sind sie eh schon sauer. Wenn sie dann am Abend vielleicht noch fünf Minuten länger auf ihre Getränke warten müssen, weil alles so voll ist, schreiben sie dir eine schlechte Google-Bewertung.“

Unger könnte noch weitere Beispiele anführen, warum die ohnehin zeitraubende und kräftezehrende Gastronomie in Zukunft noch mehr ihrer Betreiber verlieren dürfte: „Mittlerweile machen ja auch die richtig guten Lokale zu.“

„Eine Krise der Haaner Gastronomie kann ich derzeit nicht erkennen“, meint dagegen Haans oberster städtischer Wirtschaftsförderer Dr. Jürgen Simon. Auch die Haaner Gastronomie müsse die bekannten Herausforderungen der Branche bewältigen, sagt er. Steigende Preise seien auch in den Haaner Gaststätten erkennbar: „Aufgrund der hohen Kaufkraft und des recht hohen Einkommensniveaus in Haan habe ich aber den Eindruck, dass die Kunden diese höheren Preise akzeptieren.“

Fachkräftemangel sei natürlich auch in Haan gravierend. „Mir berichten Haaner Gastronomiebetriebe, dass sie erhebliche Probleme haben, Personal zu finden“, räumt Simon ein. Dennoch: „Wenn Sie derzeit durch die Innenstadt gehen, so sehen Sie, dass die Außengastronomie gut frequentiert ist, was sehr erfreulich ist.“

Darüber hinaus führt der Wirtschaftsförderer ins Feld: „Die Pizzeria auf der Hochdahler Straße (Da Mamma Giusi) wird in die Innenstadt verlagern, in dem leer stehenden griechischen Restaurant in Unterhaan wird im September ein chinesisches Restaurant eröffnen. Das machen Gastronomie-Betriebe nicht, wenn sie nicht vom Standort überzeugt wären.“

Und auch die Stadtverwaltung sei bestrebt, den Betrieben zu helfen, etwa indem sie „im Rahmen des rechtlich und satzungsmäßig Zulässigen möglichst große Flächen für die Außengastronomie“ ermögliche.

Alexander Unger hat noch sieben Jahre Vertrag mit seinem „Becherhus“ und ist nach eigenen Worten fest entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. „Ich habe noch viel vor“, versichert er.

Aber Fakt sei auch: „Ich habe immer etwa 85 Kilo gewogen, mittlerweile sind es 67. Das hat nichts mit eventuellen Diäten zu tun, sondern ist schlichtweg die Folge all der Kilometer, die ich in meinem Beruf mittlerweile zusätzlich laufen muss.“