Holocaust-Gedenktag in Haan Texte, die betroffen machen – bewegende Konzert-Lesung im Dieker Carré
Haan · Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ließ die Konzert-Lesung jüdische Blogger zu Wort kommen.
Die Stuhlreihen im Forum des Dieker Carrés waren gut besetzt an diesem Samstagabend, als die Musikschule Haan und die VHS Hilden-Haan zu einer Konzert-Lesung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus einluden. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Gaza, aber auch in Deutschland, beschränkten sich die Veranstalter jedoch nicht darauf, der Opfer zu gedenken und die Erinnerung wach zu halten. Durch die Texte jüdischer Bloggerinnen und Blogger ließen sie die Juden von heute zu Wort kommen und stellten ihr Erleben, ihre Gedanken sowie ihre Erfahrungen in Deutschland in den Mittelpunkt der Veranstaltung.
Die Texte der drei Blogger
gingen unter die Haut
Die Texte von Juna Grossmann, Eliyah Havemann und Chajm Guski rüttelten heftig an der Überzeugung, dass man in Deutschland eigentlich auf einem guten Weg sei. Bereits der erste Text „Tägliche Erfahrung einer Jüdin in Deutschland“ machte nicht nur betroffen, sondern stellte auch die Frage nach den eigenen Urteilen und Vorurteilen. So zählt Juna Grossmann eine ganze Reihe von Vorurteilen gegen Juden auf, die ihr immer wieder begegnen. „Juden sind für das Wetter verantwortlich, Juden sind reich und können gut mit Geld umgehen, Juden sind besser in der Schule, Juden beherrschen die Banken“ sind nur einige davon. „Juden sind sexbesessen“ ebenfalls, festgemacht an zwei prominenten Juden, die Frauen missbrauchten. „Wirft man den Christen Pädophilie vor, nur weil einige wenige Christen Kinder missbraucht haben? Nein, das wäre ja auch absurd“, so Juna Grossmann.
Bei Juden ist das aber anders. Sie werden nicht als homogene Masse wahrgenommen, so wie jedes andere Volk auch. „Alles, was wir tun, was wir sagen, läuft über ein Radar der Welt.“ Worte wie „Israel“ seien Trigger, weshalb sie sie nicht mehr benutze.
Wie aktuell mit jüdischem Kulturerbe umgegangen wird, machte der Beitrag von Chajm Guski „Detmold und die israelischen Touristen“ deutlich. Denn seit Jahren steht hier ein ehemaliges jüdisches Bethaus leer und ist dem Verfall preisgegeben. Die Jüdische Gemeinde sähe gerne eine Begegnungsstätte in dem kleinen Fachwerkhaus, doch der jetzige Besitzer zieht immer wieder vor Gericht, weil er das Gebäude abreißen und Parkplätze bauen will. Dass der Besitzer ein bereits 2002 wegen Volksverhetzung verurteilter Anwalt ist, macht die Sache noch dramatischer.
„Jüdinnen und Juden tauchen in einigen Köpfen vorwiegend als israelische Touristen auf, also als auswärtige Menschen“, schreibt Guski und wünscht sich: „Es wäre doch schon einiges gewonnen, wenn Stadtgesellschaften erkennen, dass jüdisches Kulturerbe eben auch genau das Erbe der Stadtgesellschaft ist und nicht das anderer Menschen von weit weg.“
Eliyah Havemann erklärt in seinem Blog „Holocaustvergleiche verbieten sich immer. Immer?“ warum er den Grundsatz „Vergleiche nichts mit dem Holocaust, außer es ist der Holocaust“ gebrochen und den Terrorangriff der Hamas mit dem Holocaust verglichen hat. Dabei führt er eine ganze Reihe an Parallelen auf, kommt jedoch am Ende zu dem Schluss: „Das Hamas-Massaker vom 7.10.23 war kein neuer Holocaust. Denn es gibt eine IDF die verhindert hat, dass es diese Dimension erreichen konnte. Noch ist der Holocaust ein singuläres Verbrechen. Noch.“
Die Musik war teils melancholisch, teils fröhlich beschwingt
Die bewegenden und aufrüttelnden Texte, ausdrucksstark vorgetragen von den Musikschul-Lehrerinnen Sharon Baden und Iris Fitsch, waren eingebettet in die teils melancholische getragene, teils fröhlich beschwingte Klezmer-Musik, die im ersten Teil vom Klezmer-Ensemble der Musikschule Haan und im zweiten Teil vom Ensemble Klezmer Chai wahrhaft zelebriert wurde. Während des Stücks „Ani Ole Lirushalayim“ fand sozusagen ein fliegender Wechsel der beiden Ensembles statt und die Profi-Truppe übernahm die Bühne. Mit unglaublich viel Schwung, Spielfreude und Virtuosität präsentierten sie die einzelnen Stücke, so dass sich die Begeisterung schnell aufs Publikum übertrug. So brachte die Klezmer-Musik eine wohltuende Leichtigkeit in die Veranstaltung und sorgte für den zeitlichen Raum, um die Texte nachwirken zu lassen.
Den Veranstaltern gelang mit dem Gedenkkonzert ein Abend, der sich nicht mit der Erinnerung zufrieden gab, ganz wie Chajm Guski über den 27. Januar schreibt: „Aus Erinnerung sollte jedoch Verantwortung erwachsen.“ Dass dies gerade viele versuchen, zeigen die hohen Teilnehmerzahlen der deutschlandweit stattfindenden Demos gegen Rechtsextremismus.