Orgelkonzert in Kempen Gedenkveranstaltung in der Propsteikirche gut besucht
Kempen · Bei der zentralen Gedenkveranstaltung des Kreises standen die Werke jüdischer Komponisten im Mittelpunkt.
(evs) Das Gedenken des Kreises Viersen anlässlich des Holocaust-Gedenktags reihte sich inhaltlich nahtlos in die Veranstaltungen des Tages ein. Nach der großen Demonstration gegen Rechtsextremismus auf dem Kempener Buttermarkt und dem Gedenken der Stadt Kempen an der Stele am Rathaus, hatte der Kreis in die benachbarte katholische Propsteikirche zu dem Konzert „Jewish Prayer“ unter Mitwirkung der Kempener Organistin Ute Gremmel-Geuchen und dem aus der Ukraine stammenden jüdischen Bratschisten Semjon Kalinowsky geladen. Eine Einladung, der viele Menschen gefolgt waren, das Mittelschiff der großen Kirche war gut gefüllt.
Landrat Andreas Coenen (CDU) erinnerte an die „präzise durchorganisierte deutsche Todesmaschinerie“, der mehr als sechs Millionen Menschen in der NS-Zeit zum Opfer fielen. „Gedenktage allein bewahren uns nicht davor, im Hier und Heute gleichgültig zu sein“, sagte er, auch im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse. „Es beschämt mich, dass Jüdinnen und Juden wieder erwägen auszuwandern, weil sie sich in unserem Land nicht mehr sicher fühlen.“
Ute Gremmel-Geuchen führte die Besucher in das musikalische Programm ein. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland in jüdischen Reformgemeinden erstmals Orgeln in Synagogen gebaut, vor allem in Großstädten wie Frankfurt, Hamburg und Berlin. Dafür wurde ein umfangreiches Repertoire mit Bezug zur jüdischen Liturgie geschaffen. Einen Einblick in diese Musik gab das anschließende, etwa einstündige Konzert mit Werken für Orgel solo und Bearbeitungen für Viola und Orgel. Auf einer großen Leinwand konnten die Besucher das Geschehen auf der Orgelbühne verfolgen.
Es sind in der Grundtendenz melancholisch eingefärbte, sehnsuchtsvolle Klänge im Stil der Romantik, dem auch die Bratsche mit ihrem dunklen weichen Charakter entspricht. Zu den bekanntesten Komponisten dieser Musikkultur gehört Louis Lewandowsky (1821-1894), der an der Neuen Synagoge in Berlin arbeitete und zu den Wegbereitern der neuen Synagogalmusik gehörte. Musikalisch abwechslungsreich sind „Les fetes de l`annee israelite“ von Jehan Alain, der 1940 als 29-jähriger französischer Soldat im Gefecht bei Saumur fiel und mehr als 140 Kompositionen hinterließ. Traurig klagend die Vertonung des Kaddisch, des Totengebets, von Joseph-Maurice Ravel (1875-1937).
Siegfried Würzburger war ein deutsch-jüdischer Organist. Er wirkte von 1911 bis 1938 als Organist an der neu gegründeten Frankfurter Westend-Synagoge und starb 1942 im Ghetto Lodsch in Polen. Max Bruch (1838-1920) betört mit schmelzenden Melodien in seinem Kol Nidre op. 47 für Viola und Orgel, dem Gebet, das am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur gebetet wird. Das Publikum bedankte sich für das stimmungsvolle würdige Gedenken mit warmem Beifall.