Kinderbetreuung in Hilden Eltern müssen tiefer in Tasche greifen
Hilden · Bisher zahlen Eltern mehrerer Kinder in Hilden die Betreuungskosten nur für das Kind, dessen Beitrag am höchsten ist. In Zukunft soll dieser Geschwisterbonus wegfallen. Familien müssten teilweise über 300 Euro monatlich mehr zahlen.
(tobi) Weitere Hiobsbotschaft für Hildener Eltern: Nicht nur die Betreuungskosten im Grundschulbereich sollen durch eine Beitragserhöhung und den Wegfall der Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder laut den Plänen der Stadt steigen. Auch die Satzung im Elementarbereich, also in Kita und bei Tageseltern, soll angepasst werden. Sollte die Politik zustimmen, werden die Nachmittagsbetreuung in der Grundschule und die in der Kita kostentechnisch unabhängig voneinander betrachtet – dann muss für beide Kinder gezahlt werden, nicht mehr nur für das Kind, für das der höchste Beitrag fällig wird.
Klingt kompliziert? Ein Beispiel: Familie Sommer aus Hilden hat drei Kinder. Die Eltern gehen beide arbeiten, verdienen zusammen mehr als 120 000 Euro im Jahr. Bisher zahlen sie nur für Kind 3, das noch keine drei Jahre alt ist, 528 Euro im Monat für 45 Stunden Betreuung im Kindergarten (plus noch einmal Verpflegungsgeld von 64 Euro). Kind 2 und Kind 1 besuchen beide eine Grundschule und nutzen die OGS ebenfalls 45 Stunden pro Woche (jeweils 64 Euro Verpflegungspauschale), momentan müssen Mama und Papa Sommer nichts für sie bezahlen. Sollte die neue Satzung verabschiedet werden, muss die Familie für alle Kinder Beiträge zahlen. Kind 2 kostet 210 Euro, für Kind 1 werden 105 Euro fällig. Statt bislang 528 Euro pro Monat, muss die Familie in Zukunft 843 zahlen (und 204 Euro Verpflegungskosten, da die Pauschale auf 68 Euro steigt) – 315 Euro mehr im Monat.
In der Regel müssen Eltern für ihre Kindergartenkinder den höchsten Beitragssatz zahlen. Daher erhofft sich die Stadt durch die Satzungsänderung im Kita-Bereich keine zusätzlichen Einnahmen. Im OGS-Bereich jedoch schlägt sich der Wegfall der Beitragsfreiheit für Geschwister durchaus nieder: Durch die Erhöhungen und die Geschwisterbeiträge erhofft sich die Stadt dort Mehreinnahmen in Höhe von rund 450 000 Euro.
Pandemie führt nicht automatisch zur Beitragsbefreiung
Weiter enthält der Satzungsentwurf der Stadt einen Passus, der klar regelt, dass Kita-Schließungen beispielsweise durch eine Pandemiesituation nicht automatisch zu einer Beitragsbefreiung führen. Die Stadt zitiert dafür ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts und schreibt: „Die (...) Schließungen führen nicht zu einem Anspruch auf Verzicht des Kostenbeitrages. Auf die Erhebung von Kostenbeiträgen ganz oder teilweise kann nur unter Vorbehalt der aktuellen Haushaltslage verzichtet werden. Die Höhe des Verzichts richtet sich dabei grundsätzlich nach den Vorgaben oder Empfehlungen des Landes NRW und/oder der kommunalen Spitzenverbände NRW.“ Ein Anspruch auf Verzicht des Kostenbeitrags habe noch nie bestanden, erklärt Sozialdezernent Sönke Eichner auf Nachfrage. Das sei nun lediglich ausformuliert worden. Am Ende entscheidet der Rat in einer solchen Situation, ob die Beiträge tatsächlich zurückgezahlt werden oder nicht.
Der Hildener Satzungsentwurf birgt aber noch weiteres Konfliktpotenzial, wie der Vorsitzende des Jugenamtselternbeirats (JAEB), Michael Hirsch-Herda, erklärt: „Mit dieser Neufassung sollen uns Eltern Belastungen auferlegt werden, die weder angemessen noch fair sind.“ In Zukunft seien für Betreuungsausfälle, die weder durch das Kind oder die Eltern zu verantworten sind, Entgelte zu leisten („Die Beiträge werden stets als volle Monatsbeiträge erhoben, unabhängig von An-/Abwesenheitszeiten des Kindes, Schließzeiten, Ferien oder Ähnlichem sowie zum Wohle des Kindes notwendigen kurzfristigen Schließungen oder Stundenreduzierungen“). Die Formulierung „zum Wohle des Kindes“ bedeute in der Realität, „dass Gruppenschließungen aufgrund von Personalmangel nötig sind, um strafbare Kindeswohlgefährdungen zu vermeiden. Dass dafür Entgelte zu entrichten sind, ist weder nachvollziehbar noch fair. Diese Regelung stellt eine untragbare Doppelbelastung der Eltern dar, die durch die Eigenbetreuung möglicherweise einen Verdienstausfall erleiden. Sie tragen damit die Folgen für Fehler oder Unzulänglichkeiten der Träger.“
Eltern sollen laut Satzung auch Personalausfall tragen
Eine ähnliche Bürde werde den Eltern mit der Kostenbeitragspflicht im Falle von Streik, Personalausfall, Naturereignis, Epidemie und Pandemie aufgehalst. „Selbstverständlich sind Streik und Naturereignisse Vorkommnisse, die i. d. R. nicht von einem Vertragspartner zu verantworten sind. Das verstehen wir“, erklärt Michael Hirsch-Herda. Völlig unverständlich sei jedoch, dass mit der Satzung ganz allgemein auch Personalausfall von den Eltern zu tragen sei. „Das ist Sache des Trägers als Arbeitgeber, nicht der Eltern.“
Für Michael Hirsch-Herda ist klar: „Aus unserer Sicht kann die vorgelegte Satzung so nicht verabschiedet werden. Es sind Nacharbeiten notwendig, die die Belange der Eltern leistungsgerecht und der Lebensrealität entsprechend berücksichtigen.“ Korrekturbedarf in der Beitragssatzung sieht auch die Bürgeraktion. Sie fordert eine eindeutige Regelung, die die Rechte der Eltern stärke, anstatt sie schutzlos zurückzulassen, erklärt Doris Spielmann-Locks. Es könne nicht sein, dass sich die gleichen Fehler von Anfang des Jahres wiederholen könnten. Damals war monatelang politisch darum gerungen worden, ob der Stadtrat die Ansprüche der Eltern anerkennt, oder nicht.
Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die letzten beiden Kita-Jahre sollen in der Regel beitragsfrei bleiben. Das hat das Land Nordrhein-Westfalen 2020 im Kinderbildungsgesetz (Kibiz) festgelegt. Wie lange es dabei bleibt, ist jedoch unklar.