Haan/Solingen Die Urteilsfindung gestaltet sich schwierig

Haan/Solingen · Was ist mit den Haftprüfungsanträgen? Es war die letzte Frage der Verteidigung an diesem Verhandlungstag. Sie blieb unbeantwortet, auch der Staatsanwalt wollte dazu nichts sagen. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen, so aber scheint kurz vor den Plädoyers klar zu sein: Die Kammer ist von der Schuld der Angeklagten überzeugt.

Foto: Sabine Maguire

Die vier Brüder, die Friseurläden in Haan und Solingen betrieben haben, müssen sich wegen versuchten Totschlags verantworten. Sie sollen im Mai 2022 in einer Bar in Ohligs den Wirt durch Messerstiche schwer verletzt haben. Die letzten Beweisanträge der Verteidigung am zwölften Verhandlungstag können allenfalls als letzter Versuch gesehen werden, das Gericht davon zu überzeugen, dass es eigentlich die Angeklagten waren, die bedroht wurden und aus Notwehr handelten. Ein Sachverständiger könne aus Sicht der Verteidiger beweisen, dass nach der Tat versucht wurde, die Aufnahmen der Überwachungskamera zu löschen. Von wem? Glaubt man den Anwälten der Angeklagten, soll es der Wirt selbst gewesen sein, der mit seinem Handy die Festplatte manipuliert habe, bevor sie von der Polizei vom Stromnetz getrennt worden sei.

Ins Leere laufen dürfte wohl auch der Antrag der Verteidigung, einen Lippenleser zu beauftragen. Von einem solchen Sachverständigen erhoffe man sich den Beweis dafür, dass es bereits zuvor Absprachen des späteren Opfers mit seiner Lebensgefährtin gegeben und man auf die Angeklagten am Abend des 14. Mai gewartet habe. Außerdem habe die Frau den Wirt aufgefordert, auf die Angeklagten zu schießen und gesagt haben: „Knall sie ab!“

Aus Sicht der Verteidigung sei es der Wirt selbst gewesen, der die Brüder in seine Bar bestellt habe. Einer der vier Männer hatte dort bei einer Auseinandersetzung am Tag zuvor seine Sonnenbrille vergessen. Auf den Videoaufzeichnungen sei auch zu sehen, wie das spätere Opfer die Angeklagten verhöhnt habe. Der 31-Jährige soll sich die Brille aufgesetzt und „einen Tanz aufgeführt“ haben.

Hatte einer der Angeklagten auf dem Weg zur Kneipe des späteren Opfers einen Schlagring in der Hand? Aus Verteidigersicht ist die Antwort klar: „Nein, es ist eine Gebetskette.“ Haben die anderen drei gewusst, dass der jüngste Bruder ein Messer in der Tasche hatte? Auch hier gibt es für die Anwälte keinen Zweifel: Sie haben nichts davon gewusst. Es sei keine geplante Tat gewesen. Das Opfer sei in der Rocker-Szene aktiv, da sei eine Waffe in der Tasche möglicherweise völlig normal.

„Für Friseure gilt das nicht“, war dazu von einem der Verteidiger zu hören. Wie das Gericht diese Frage am Ende beantworten wird, dürfte für die Urteilsfindung entscheidend sein. Am Freitag sollen die Plädoyers gehalten werden.

(magu)