Sieht schaurig aus, ist aber ungefährlich
Die Gespinstmotte hat Sträucher im „Tannenwäldchen“ mit feinem Gewebe überzogen.
Haan. Für Jamina Caputo ist das „Tannenwäldchen“ wie ein zweites Wohnzimmer. Die Haanerin geht dort regelmäßig mit ihrem Hund spazieren und erfreut sich nach eigener Aussage an dem „schönen Stückchen intakter Natur direkt an der A 46, das von unserer Haustür aus schnell zu erreichen ist.“ Doch jetzt hat die Idylle einen Riss bekommen, wie Jamina Caputo berichtet. „Wie im Horrorfilm“ sei sie sich vorgekommen, als sie vor einigen Tagen durch das Tannenwäldchen spaziert sei, sagt die 33-Jährige. Ein gräulicher Überzug habe Büsche und Bäume an vier bis fünf Stellen wie eine Art Gespenstervorhang überzogen.
Daniel Braun ist Leiter des Regionalforstamts Bergisches Land — eines von 16 Forstämtern von Wald und Holz NRW — dem landeseigenen Forstbetrieb. Er kündigte gestern an, sich die Stelle schnellstmöglich anzuschauen — gab nach Auswertung des Fotos aber schon einmal Teilentwarnung. So spektakulär und gespenstisch die Veränderung auch wirke — der so gefürchtete Eichenprozessionsspinner verberge sich wohl doch nicht dahinter, sagte er. Was Jamina Caputo im Tannenwäldchen entdeckt hat, ist nach Auskunft von Daniel Braun das Werk der sogenannten Gespinstmotte.
Deren Raupen sind verantwortlich für silbrig glänzende, kahl gefressene Bäume und Sträucher im späten Frühjahr. Laut Naturschutzbund NABU fressen sie die Blätter ab und überziehen Stämme, Äste und Zweige dabei mit einem Gespinst. Aus der Ferne sieht das aus, als wären sie liebevoll in durchsichtige opake Folie eingepackt. Wichtigster Unterschied zum Eichenprozessionsspinner: Die befallenen Gehölze überstehen das zumeist unbeschadet.
Insgesamt kann man die Arten der Gespinst- und Knospenmotten auf etwa 50 Pflanzenfamilien finden. Gespinste können ganze Bäume umfassen. Einige Arten, wie die Apfelbaumgespinstmotte, schädigen Obst- und Gartengehölze und werden deshalb oft heftig bekämpft. Das ist im Haaner „Tannenwäldchen“ aber vermutlich nicht notwendig, wie Förster Braun betont: „Das regelt die Natur selbst“, sagt er: „Im Juni oder Juli entwickeln die Pflanzen den sogenannten Johannistrieb, der die Gespinste regelrecht beiseite räumt“, sagt er.
Den seidigen ‚Schleier spinnen die kleinen Raupen übrigens, um sich vor Fressfeinden wie Vögeln oder Witterungseinflüssen wie Regen zu schützen. Unter dem Schleier fressen die Raupen bis Mitte Juni den befallenen Baum kahl.
Dann wanderten sie zum Stammfuß, wo sie sich im Schutz des Gespinstes verpuppen. Anfang Juli schlüpfen bereits die weißen, schwarz gepunkteten Falter der Traubenkirschen-Gespinstmotte. Nach der Paarung legen diese ihre Eier wieder an den Knospen der Traubenkirsche ab, wo sie bis zum nächsten Frühjahr geschützt überdauern.