Flüchtlinge in Hilden Sporthalle am Weidenweg wird zur provisorischen Heimat

Hilden · Hilden muss sich in den kommenden Monaten auf eine stetig ansteigende Zahl an Flüchtlingen einstellen. Ab Dezember wird die Sporthalle am Weidenweg als Provisorium genutzt, doch die Stadt braucht eine Lösung auf Dauer.

Bürgermeister Claus Pommer verschaffte sich am Mittwoch einen Überblick über den Fortschritt der Vorbereitungen.

Bürgermeister Claus Pommer verschaffte sich am Mittwoch einen Überblick über den Fortschritt der Vorbereitungen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die Vorbereitungen sind im vollen Gang: Voraussichtlich ab 4. Dezember werden Flüchtlinge in die Sporthalle am Weidenweg in Hilden einziehen. Bis zu 100 Menschen sollen unter den hochgeklappten Basketballkörben ihre Heimat finden und das möglicherweise ein ganzes Jahr lang.

Am 22. November lud die Stadt zu einem Besichtigungstermin ein. Am Mittwochmorgen war eine erste Parzelle aufgebaut worden. Von Privatsphäre kann hier kaum die Rede sein. Man wolle es hier so einrichten, dass Familien und miteinander vertraute Gruppen sich zumindest in kleinem Maße separieren können, erklärte Anja Voß, Leiterin des Amtes für Jugend, Soziale Dienste und Integration. Tatsächlich müssen Auflagen dabei beachtet werden. So dürfen die Trennwände aus Gründen des Brandschutzes nicht höher als 1,60 Meter sein.

Wer hier leben muss, der schläft in einem Etagenbett. Große Menschen dürften ihre Probleme bekommen, denn ab einem Gardemaß von 1,90 Meter muss man wohl den Kopf im Schlaf einziehen oder die Beine anwinkeln. Auf den Matratzen liegt das Bettzeug eingeschweißt in Folie, die das Logo einer schwedischen Möbelhauskette trägt. Zwischen den Betten stehen Spinde für die persönliche Habe. Zwei Paar Schuhe, ein Rucksack, je zwei Mäntel, Hosen, Hemden oder Pullover – viel mehr dürfte nicht in die silbergrauen Metallschränke passen.

Vermutlich dürften die meisten Menschen, die in den nächsten Monaten im Hildener Süden ankommen werden, kaum mehr besitzen als das, was sie auf ihrer Haut tragen. Die Flüchtlinge kommen in der Regel aus den Regionen, die in den vergangenen Jahren aufgrund von Kriegen in die Nachrichten gerieten. Anja Voß zählt die Staaten auf: Afghanistan, Syrien, Ukraine, Iran, Irak und wohl auch wegen des Erdbebens im vergangenen Frühjahr die
Türkei.

Menschen aus dem Gazastreifen, laut Schätzungen sind in diesen Tagen 1,7 der 2 Millionen Einwohner innerhalb der Grenzen des palästinensischen Autonomiegebietes auf der Flucht, werden in Hilden nicht erwartet, noch nicht. Die Erfahrung zeige, so Voß, dass die großen Fluchtbewegungen erst mit Verspätung einsetzen. So begann der Bürgerkrieg in Syrien im März 2011, doch die Menschen flohen erst rund vier Jahre später nach Europa.

In diese Richtung dürfte es auch für viele Bewohner des Gazastreifens gehen, sollten die Kämpfe zwischen der Hamas und der israelischen Armee anhalten. Es scheint kaum vorstellbar, dass Israel nach dem Angriff der Terrororganisation am 7. Oktober die Menschen ins Land lassen wird. Das zweite Nachbarland Ägypten will seine Grenze allenfalls für Verletzte öffnen. Die Regierung wolle die eigene Wirtschaft durch den Zustrom nicht schwächen, berichtete die Financial Times. Auch sei die Sorge groß, dass mit den Flüchtlingen Terroristen ins Land kommen könnten. Hochrangige Beamte in Kairo sollen gesagt haben, dass Europa doch bis zu eine Million Menschen aus Gaza zu sich holen könne, berichtete die britische Tageszeitung weiter. Sollten die Kämpfe anhalten, bliebe als dritte Möglichkeit nur die Flucht über das Mittelmeer.

Aufgrund der geopolitischen Lage geht man auch in Hilden davon aus, dass das Provisorium an der Weidenstraße durch eine Lösung mit langfristiger Perspektive ersetzt werden muss. In den Sitzungen der Ausschüsse zeichnete sich ab, dass dafür das Gelände der ehemaligen Wiederhold-Villa an der Düsseldorfer Straße in Frage kommen könnte. Konkreter werden sollten die Pläne in diese oder vielleicht doch eine andere Richtung am Mittwoch im Hauptausschuss. Claus Pommer deutete beim Besichtigungstermin in der Sporthalle jedenfalls eine lange Nacht an, deren Ergebnis erst nach Redaktionsschluss feststand.

Bürgermeister glaubt an
großes Verständnis für die Lage

Ein gewisses Grundgrummeln in der Bevölkerung als Reaktion auf die Flüchtlingsdebatte habe er durchaus vernommen, räumte der Bürgermeister ein. Verfolgt man die Debatten vor allem in den digitalen Medien, scheint das Thema noch stärker zu polarisieren als vor acht Jahren, als das Leitmotiv „Refugees welcome!“ viral ging. Schaut man hingegen heute beim Nachrichtendienst X rein, zeigen sich Trends in Deutschland zu den Hashtags „Dorffest in Frankreich“ (circa 4000 Posts) zu einem mutmaßlich von Migranten verübten Überfall und zur Islamkonferenz (circa 2800 Posts). Die Debatte um Flüchtlinge, sie wird, so der Eindruck, mit steigender Wut geführt. In Hilden hingegen sei das Verständnis für die Lage groß, glaubt Claus Pommer. Als die Stadt über ihre Pläne informierte, sei die Auseinandersetzung bei aller Emotionalität doch sachlich geführt worden. Eines sei den Hildenern klar: „Wir haben hier eine Notlage zu bewältigen.“

Da man nicht wisse, welche Gruppen durch die Bezirksregierung in Arnsberg Hilden zugewiesen werden, kann man auch nur darüber spekulieren, welche Konflikte in der Sporthalle entstehen könnten. Aus diesem Grund werde ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr im Einsatz sein, kündigte Voß an. Darüber hinaus übernehmen die Johanniter die Versorgung der Menschen mit drei Mahlzeiten am Tag.

Dass die Notunterkunft bald bezogen werden kann, wäre ohne die Unterstützung vieler Helfer kaum möglich gewesen. So packte das Technische Hilfswerk mit an, als am 18. November der Boden verlegt wurde. Auch die Feuerwehr beteiligte sich mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und der Jugendgruppe. Wenn alle Arbeiten erledigt sind, bleibt abzuwarten, wer tatsächlich nach Hilden kommen wird. Zurzeit sind es rund zwölf Flüchtlinge pro Woche.