Starke Stimmen tragen Dichtungjunger jüdischer Lyriker vor
Rezitationsabend in der Hildener Reformationskirche.
Beide beherrschen eine Kunst, die die Zuhörer nach- und weiterdenken lässt. Diese Kunst setzten Katharina Gun Oehlert und Karola Pasquay in ihrem Programm „Bis hier bist du gekommen“ anlässlich der Jüdischen Kulturtage ein — für drei junge jüdische Lyriker aus Berlin. Gedämpftes Licht durchflutet den hohen Altarraum der Reformationskirche. Meditativ ist die Atmosphäre, die die Künstlerinnen umgibt. In Wort und Klang spüren sie den poetischen Landschaften zeitgenössischer jüdischer Lyrik nach.
Zart und sensibel setzt Gun Oehlert ihre Stimme ein, damit sich das Publikum auf die starken expressiven Verse einlassen kann. Mati Shemoelofs Texte sind politische Lebensbilder, klagen an, sind rebellisch und zugleich melancholisch. Wie sein Poem: „Eine neue Art Freundschaft“, erfüllt mit Resignation und Schwermut. Berührend sein „Ungeschriebenes Lied für einen ungeborenen Sohn“.
Bei dieser Rezitatorin fasziniert die Stille, die sie umgibt, und es sind die leisen Töne, die sie auszeichnen. Mit ihnen macht sie das verborgene Licht der Worte sichtbar. Man schließt die Augen, lauscht und sieht die Bilder vor sich. Gun Oehlert ist ganz da — nach außen, nach innen — mit ihrer dunklen klaren Stimme, ihrer Gestik, ihren Händen und ihren Augen.
Karola Pasquay legt virtuos ihre musikalischen Fäden um die Verse. Ein bunter Tanz aus Klangfarben — jubilierende, klagende Läufe auf Querflöten, raunende Glissandi mit dem Bogen. Dazu der Klangkosmos besonderer Instrumente — Zartes, Melodisches, Kreischendes, Bedrohliches mit Klangschalen, Gläsern, Papier, ihrer Stimme, eingebettet in Klavierakkorde und die Kunst der Improvisation.
In ihren Gedichten beschäftigen sich die drei Lyriker mit Vergangenheit, Migration, mit Heimat und Fremdsein — kurze klare poetische Satzbilder. In „Unterricht“ von Maya Kupermann, geht es um die Kunst des Loslassens. Traurigkeit durchzieht ihr „Was Geschichte uns nicht lehrt“. Ein Erinnern an ihren toten Großvater, der im Krieg in Haifa gelitten hatte.
Ronen Altman Kaydars Lyrik bewegt sich zwischen Geschichte und Naturwissenschaft. Lyrisch und mit einem ganz eigenen Zauber wirken seine Meeres-Impressionen „Für einen Augenblick“ „...bis hier bist du gekommen. Unberührt blieb Unendlichkeit“ Und das Gedicht „No name“ steht wohl für die Frage vieler jungen Israelis nach ihrer Identität. „... spreche ich mit mir auf Hebräisch, ohne Land... ich weiß nicht, woher ich kam und wohin ich gehe. Aber auch die Fremdheit hat einen Geburtsmoment.“
Am Ende wird es still in der Kirche, Und dann spenden die Zuhörer zu Recht langen intensiven Beifall.