Unwetter in Hilden und Haan Itter flutet nach Dauerregen Altstadt

Hilden · Wer sich am Mittwochvormittag angesichts der zunächst abnehmenden Regenmengen in Sicherheit wähnte, erlebt in der Nacht zu Donnerstag eine böse Überraschung: Der Starkregen nimmt wieder zu, überschwemmt Hunderte Keller. Sogar die Itter tritt über die Ufer und flutet Teile der Altstadt.

Durch die Itter wurde auch das Nove-Mesto-Parkhaus geflutet. Das Wasser stan bis zu zwei Meter hoch.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

(tobi) Fassungslos steht der Mittvierziger vor der Einfahrt der Tiefgarage am Nove-Mesto-Platz in Hilden. „Da unten habe ich mein Motorrad und mein Auto geparkt“, sagt er und zeigt auf die braune Brühe, die etwa zwei Meter hoch in der Tiefgarage steht. „Ich habe beides hier abgestellt, damit es sicher ist. Vor Hagel beispielsweise.“ Doch als die Itter Mittwochnacht über die Ufer tritt, fließt das Wasser sofort tosend in die Tiefgarage und begräbt alles unter sich. Am Morgen danach riecht es beißend nach Benzin.

Die Feuerwehr ist seit Mittwoch, 1 Uhr, im Dauereinsatz. Starkregen setzt Keller unter Wasser, lässt Bäche zu reißenden Flüssen werden. Wer sich nach der ersten Nacht und den abnehmenden Regenmengen tags darauf in Sicherheit wähnte, erlebt in der Nacht zu Donnerstag eine böse Überraschung. Denn durch die Regenfälle in den Städten, durch die die Itter fließt, schwillt der Bach so stark an, dass er am Mittwoch gegen 22 Uhr über seine Ufer tritt. Das ist zuletzt 1961 passiert. Bereits zuvor hat die Düssel in Gruiten-Dort ihr Bett verlassen und einen immensen Schaden angerichtet.

Die Hildener Altstadt trifft es am heftigsten. Bis zur Berliner Straße steht das Wasser der Itter, die Schwanenstraße kann nicht passiert werden, Autofahrer bleiben stecken, eine Fahrbahn sackt ab (und wird morgens auch schon wieder von Mitarbeitern des Bauhofes verfüllt), Anwohner und Ladenbetreiber versuchen verzweifelt, das Wasser von ihren Gebäuden fernzuhalten – in der Regel ohne Erfolg.

Die Stadtwerke schalten in der Nacht zu Donnerstag vorsorglich den Strom ab. Der Energieversorger hatte sich unter anderem mit Mitarbeitern vor Ort in den Trafostationen und Wasserpumpen auf die Situation vorbereitet und einige Trafostationen bereits im Vorfeld abgeschaltet sowie die Stromversorgung umgeleitet. Doch mit solchen Wassermassen hatte das Unternehmen offenbar nicht gerechnet. Da einige Mittelspannungsstationen unterhalb des Straßenniveaus liegen, müssen auch sie aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden – vor allem in Norden und im Bereich der Mittelstraße. Viele Gebäude sind in der Nacht zu Donnerstag ohne Strom.

„Wir sind auf der Zielgeraden“, erklärt Oliver Schläbitz, Krisenstabsleiter der Stadtwerke Hilden, am Donnerstagnachmittag. Fast alle Haushalte seien wieder mit Strom versorgt. „Nur noch zwei Trafostationen sind aktuell außer Betrieb.“ In der Tiefgarage an der Schwanenstraße pumpe die Feuerwehr das Wasser heraus. Dort befindet sich laut Schläbitz eine Station, die noch außer Betrieb ist. Sobald die Tiefgarage wieder begehbar sei, prüften die Experten die Trafostation, um sie wieder zuzuschalten. Die Stromausfälle, die von Bürgern gemeldet wurden, seien vollständig abgearbeitet. Weiterhin gingen neue Meldungen ein. Der Bereitschaftsdienst sei im Dauereinsatz. „Keine nennenswerten Störungen gab es bei der Erdgas- und Trinkwasserversorgung sowie im Breitbandnetz“, erklärte Stadtwerke-Sprecherin Sabine Müller. Die Technik in Waldbad und Hildorado sei vom Starkregen nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Da sieht es zwischenzeitlich auch eng aus.

Auch bei der Stadtverwaltung gibt es Schäden durch den Starkregen: „Das Verwaltungsgebäude, Schulen, Kitas und andere städtische Gebäude sind nicht, oder nur eingeschränkt telefonisch und per E-Mail erreichbar“, erklärt Stadtsprecherin Lina Schorn.

Die Hildener Feuerwehr hat in der Nacht Unterstützung aus dem Kreis Steinfurt und Münster erhalten. Rund 50 Einheiten der 160 Mann starken Bezirksbereitschaft helfen den Hildenern beim Auspumpen, der Rest ist in Langenfeld unterwegs. „Unser Schwerpunkt liegt am Donnerstagvormittag auf dem Bereich Schalbruch, Meide und Innenstadt“, erklärt Feuerwehrchef Hans-Peter Kremer.

Außerdem unterstützt die Feuerwehr die Stadtwerke beim Leerpumpen der Trafostationen. Wann die vollgelaufene Tiefgarage am Nove-Mesto-Platz leergepumpt wird, steht noch nicht fest. Die Feuerwehr arbeitet erst einmal akute Fälle ab, erklärte Kremer. Rund 300 Einsätze haben sie bis Donnerstagmittag bereits absolviert, 200 stehen noch aus. Wie lange die Feuerwehr noch die Schäden des Starkregens beseitigen muss? „Das ist noch nicht klar, aber wir reden von mehreren Tagen“, sagt Kremer.

Bürgermeister Claus Pommer bricht seinen Urlaub ab und kommt am Freitag wieder nach Hilden. „Ich stehe in ständigem Kontakt mit der Feuerwehr und der Verwaltung“, sagt er. Die Bilder, die ihn erreicht haben, bezeichnet er als „surreal“. Er möchte vor Ort helfen und steht bereits mit Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW, in Austausch. Sie habe sich bei ihm über die Lage in Hilden erkundigt. Ob daraus nun eine konkrete Hilfe erwächst, ist unklar.

Die Feuerwehrleute arbeiten unterdessen weiter am Limit. „Wir sind durchgehend unterwegs“, sagt Hans-Peter Kremer, „das ist schon zermürbend.“ Wie viele andere Einsatzkräfte auch hat der Feuerwehrchef nur wenig geschlafen: „Zwei Stunden am Donnerstagmorgen.“ Was ihn angesichts des Engagements seiner Leute ein wenig ärgert, sei die Erwartungshaltung einiger Menschen, die sich beschwerten, weil sie so lange auf die Feuerwehr warten müssten. „Wir können nicht mehr als alles geben.“ Der überwiegende Großteil der Menschen sei aber dankbar, dass ihnen geholfen wird.

Die Feuerwehr-Einheiten aus Steinfurt und Münster sind am Mittwochabend gegen 21 Uhr alarmiert worden und sechs Stunden später in Hilden eingetroffen. Zunächst hieß es, sie sollen in Solingen-Burg helfen. Dort musste Unterburg evakuiert werden. „Wir haben sogar Boote dabei“, erklärt ein Feuerwehrmann. Doch dann werden sie nach Hilden umgeleitet, pumpen seit dem Morgengrauen unter anderem eine Tiefgarage am Schalbruch leer. „Die Anwohner sind alle sehr dankbar, dass wir ihnen helfen“, sagt er. Sie organisieren Kaffee und Frühstück für die Feuerwehrleute.

Auch wenn sich einige Hildener über die lange Wartezeit auf die Feuerwehr beschweren – den Einsatzkräften schlägt in der Regel in der ganzen Stadt eine Welle der Dankbarkeit entgegen. „Sowohl wir als auch einige unserer Kollegen sind vom Unwetter betroffen und werden heute unsere Keller leerpumpen und aufräumen“, schreibt beispielsweise der Betreiber der Gaststätte Retro an der Stadthalle bei Facebook. „Morgen öffnen wir um 17 Uhr und hauen 30 Liter Freibier für Feuerwehrleute, THW und Rettungskräfte raus.“