Trotz Behinderung mobil
Seit 30 Jahren werden bei der Reha Group Autos behindertengerecht umgerüstet.
Hilden. Der Kofferraum des Kombis sieht aus, als hätte ihn jemand in ein übergroßes Uhrwerk umgebaut. Zahnstangen, Gelenke, Achsen im schrägen Winkel sind durch die Seitenscheibe zu sehen. „Die Tür bauen wir noch komplett aus“, sagt Christoph Kistner, Techniker bei der Hildener Reha Group Automotive. Ein Rollstuhl kann dann automatisch dort eingezogen werden, wo früher die Rückbank war — der Fahrer mit Handicap kann sein Auto ohne Hilfe benutzen.
Seit 30 Jahren baut das Unternehmen mit zwei Standorten im Hildener Westen handelsübliche Autos behindertengerecht um. Die Lösungen sind immer ganz individuell. In einem VW-Bus ist ein Hebesitz eingepasst: Der Fahrgast wird heraus geschwenkt und auf die Höhe seines Rollstuhls abgesenkt. In den Werkhallen wird aus Caddys der ganze Boden herausgeschnitten und eine Rampe eingesetzt.
„Wir ändern Lenkungen und greifen in die Elektronik der Fahrzeuge ein“, sagt Geschäftsführer Ralf Philipps. Durch die enge Verbindung mit der Automobilindustrie habe das Unternehmen Zugang zu sonst verschlossenen Informationen der Hersteller.
Der 42-jährige Schlosser und Feinmechaniker Kistner wurde durch das Arbeitsamt in das Unternehmen vermittelt: „Am Anfang war es schwer für mich, wenn ich ein behindertes Kind gesehen habe“, sagt er. Inzwischen überwiege aber die Freude: „Die glücklichen Leute, die ihr fertiges Auto abholen, machen es aus.“ Endlich nicht mehr auf ein Taxi angewiesen zu sein, ohne Hilfe zum Arzt fahren zu können — es sei immer eine große Verbesserung der Lebensqualität.
„Einige Umbauten brauchen bis zu 400 Arbeitsstunden“, sagt Philipps. Immer wieder würde etwas angepasst, noch einmal geändert. „Das ist eine sehr intime Zusammenarbeit mit dem Kunden“, sagt er. Eine Stärke der Hildener ist für ihn das eigene Filialnetz. Sechs Städte, darunter Berlin, Fulda, und München, bieten Werkstätten. „Sonst verreist man, und plötzlich ist es wieder vorbei mit der Mobilität“, sagt Philipps.
Über die Kirchhoff-Gruppe kam der früher in der Schwerindustrie selbstständig gewesene Manager in das Hildener Unternehmen. Seine Aufgabe: den Reha-Bereich industriell auszubauen. Besonderen Wert legt er auf das Aussehen der Autos und ein angenehmes Gefühl in der Handhabung.
Philipps hat eigene Verkäufer eingestellt: „Die gab es vorher in dieser Branche nicht.“ In Hilden sei es eine Ergotherapeutin, die den Kunden zum Autohändler seiner Wahl begleitet. „Ein Behinderter hat ganz viele Fragen, die ein normaler Autoverkäufer kaum beantworten kann“, sagt der Geschäftsführer.
Für die nächsten fünf Jahre plant er mit einem deutlichen Wachstum: „Ich suche einen neuen Standort im Großraum Hilden. Ich stelle mir etwas im Stil eines Autohauses vor.“