Auftrag in Gruiten Vermesser leisten auch Detektivarbeit
Haan/Kreis Mettmann · Im Kreis Mettmann gibt es rund 270.000 Grundstücke mit Millionen von Messpunkten. Doch trotz modernster Technik wird die Suche oder Kontrolle von Grenzsteinen oft zur Herausforderung.
Eine Familie in Gruiten will ihr Haus verkaufen. Für das Grundstück gibt es ein Erbbaurecht. Und weil vor Jahrzehnten eine Garage in der Einigkeit zwischen Nachbarn zum Teil über die Grenze hinweg gebaut wurde, muss nun „reiner Tisch“ gemacht, sprich der Baufehler durch eine Korrektur der Grenzlinien behoben werden.
Ein Messtrupp des Vermessungs- und Katasteramtes beim Kreis Mettmann rückt für die Teilungsvermessung an. Doch bevor die Grenzpunkte neu gesetzt werden können, gilt es eine Menge von Problemen mit teils detektivischer Kleinarbeit zu lösen.
„Jedes Maß, das draußen gemessen wurde, muss wieder überprüft werden“, sagt Axel Willinghöfer, Leiter des Vermessungs- und Katasteramtes (Amt 62). Und fügt hinzu: „Es gibt weltweit wohl kein Land mit einem so exakten Kataster!“ Bei dieser Überprüfung tauchen oft Differenzen auf zwischen den Maßen aus dem Kataster und dem Messergebnis von vor Ort.
Der Vermessungsingenieur Thomas Clemens macht sich in dem Gruitener Gebiet auf die Suche nach Grenzsteinen, deren Koordinaten bekannt sind. Mit diesen Werten und einigen Berechnungen – dabei ist der Satz des Pythagoras oft gefragt – lassen sich weitere Punkte errechnen, kontrollieren und auch finden.
Aber die Suche ist nicht einfach: Mal fehlt der alte Grenzstein. Mal ist eine solche Markierung von Wurzeln weggedrückt oder überwachsen. Mal unter dem Pflaster eine Garageneinfahrt verschwunden. Und Mal ist auch der Eigentümer des Grundstücks nicht greifbar, von wo aus sich mittels bekannter Punkte fehlende Grenzlinien überprüfen ließen. In solchen Fällen regelt das Vermessungs-und Kataster-Gesetz des Landes ein Betretungsrecht.
Und dann hat Geodäsie-Assistent (früher: Vermessungsgehilfe) Torsten Schmidt (Name geändert) einen Stein gefunden. Thomas Clemens greift zum Spaten und stochert im Untergrund – auf der Suche nach der unterirdischen Absicherung. Funfact: Das war früher oft eine eingegrabene Flasche, die den eigentlichen Grenzpunkt markierte; wegen dieser Praxis sagte man damals den Vermessern nach, Trinker zu sein… Clemens stößt auf ein Rohr, dessen Position nach einer erst neun Jahre alten Absteckungs-Skizze, die ein Nachbar in seinen Unterlagen findet, durchaus der Grenzpunkt sein könnte.
Im Kreis Mettmann gibt es
rund 270 000 Grundstücke
Die Flurstücke auf dem Gruitener Gelände wurden in den 1950er Jahren gebildet. Damals wurde noch ausschließlich mit Tachymeter, Prismen und Peilstäben gearbeitet. Heute hat längst die millimetergenaue Satelliten-Technik Einzug gehalten, die allerdings freie Sicht zum Himmel erfordert. Thomas Clemens zeigt auf dem Display seines tragbaren Computers, dass der „GPS“-Stab gerade Signale von knapp zwei Dutzend Satelliten aus amerikanischen, europäischen, russischen und chinesischen Systemen empfängt.
Eine erste Berechnung vor Ort ergibt, dass in dem Wohngebiet mit seinen meist gut 60 Meter tiefen Grundstücken manchmal Differenzen von bis zu 14 Zentimetern zwischen Front- und hinterer Grenzlinie bestehen. Später, im Amt an der Goethestraße in Mettmann, wird zu klären sein, ob diese Unterschiede akzeptiert und übernommen werden oder ob das gesamte Areal kontrolliert werden muss. Dabei helfen Aufnahmen der Befliegung des Kreisgebietes (alle drei Jahre) nur bedingt weiter, da minimale Winkelverzerrungen ein Übereinanderlegen von Luftbildern und Katasterkarten nicht immer ermöglichen.
Im Kreis Mettmann gibt es rund 270 000 Grundstücke – mit einigen Millionen Grenzpunkten. Seit 1972 gibt es die Gebäude-Einmessungspflicht, durch die die Eckpunkte der Gebäude in den Katasterkarten festgehalten werden. Die unvorstellbaren Mengen von Daten und Karten ließen die Katasterämter schon früh den Weg in neue Speichertechnik beschreiten: Hängeregister wurden mikroverfilmt und zuletzt digitalisiert. Gerade läuft wieder eine Digitalisierungswelle über die Server.
Dadurch wird nicht nur Archivraum gespart, sondern ermöglichen sich auch Wege für neue Service-Angebote: Kartendaten aus dem Katasteramt fließen ein in Stadtpläne oder Karten etwa für den Neanderlandsteig. Auch Bürger können Dienste nutzen – etwa für Katasterauszüge oder auch, um die Eignung ihrer Hausdächer für Solaranlagen zu prüfen. Städte können auf besonders hoch aufgelösten Luftbildern erkennen, ob Schächte mit runden oder ovalen Deckeln abgedeckt sind, welche Leitungen also im Untergrund liegen. Und weil jede Messung auch eine Höhenangabe besitzt, können Computer heute mit einem Klick simulieren, wie sich Hochwasser bei bestimmten Pegelanstiegen ausbreiten würde. Übrigens: Es ist Vermessungsspezialisten zu verdanken, dass einst der letzte Knochen des Neandertalers gefunden wurde. Die Feldhauser Grotte, in der 1856 das Skelett entdeckt wurde, verschwand im Zuge des Kalkabbaus. Vermesser errechneten, wo Knochen gelandet sein könnten, die einst mit Abraum aus der Grotte geschippt wurden. Die gezielte Suche an den errechneten Koordinaten führte letztlich zum historisch bedeutsamen Fund.