Kreis Mettmann: Ich bin eben ein Betonkopf
Die alte Figur benötigt dringend eine Frischzellenkur. Zum Denkmal reicht es nicht, denn sie ist „eher trivial und für Touristen“ – sagt der Landschaftsverband.
Kreis Mettmann. Guten Tag, entschuldigen Sie, dass ich mich so kurz vor Jahresende noch einmal zu Wort melde. Obwohl es einem Objekt wie mir ja gar nicht zusteht. Ich betone: Objekt, nicht Subjekt. Denn ein Denkmal darf ich nicht werden und ein Kunstwerk erst recht nicht. Ich bediene ja eher gestalterisch "einen das Volkstümliche, karikierenden, eher trivialen, eben den touristischen Geschmack". Sagt der Landschaftsverband zumindest.
Doch wenn man - so wie ich - in den vergangenen Monaten in der öffentlichen Diskussion gestanden hat, dann sammelt sich schon so einiges an. Dann muss man ’mal was loswerden. Hier und jetzt. Ohne Widerspruch. Ich bin eben ein Betonkopf.
Mal abgesehen davon, dass ich mit 77 Jahren nicht mehr der Jüngste bin. Rein medizinisch gesehen geht es mir nach wie vor nicht gut: offene Beine, eine klaffende Wunde am Arm, und auch die Knochen sind marode. Aber immerhin wurde mir trotz Reform der Gesundheitsreform im nächsten Jahr eine Kur versprochen. So mit allem, was ein Typ von meinem Schlag braucht. Habe es wirklich dringend nötig. Aber keine Angst: Ganz so teuer wird es nicht. Dafür muss sich der Kreis Mettmann als mein Eigentümer auch nicht neu verschulden.
Was mich ärgert, ist, dass andernorts mal eben 600 000 Euro für eine Skulptur aus Glas und Metall ausgegeben werden. Ein Bruchteil des Stahls in meinen Knochen und ich stehe die nächsten 300 Jahre kerzengrade im Neandertal. Ich habe schließlich hier die Macken - und nicht so ein Kunstwerk in Langenfeld.
Apropos Ärger: Obwohl ich seit 1931 mit meiner Heimat hier im Tal verwurzelt bin und mich nur sehr wenig bewegt habe, habe ich ein Recht auf freie Sicht. Ich meine damit die Bebauung der Neanderhöhe in Erkrath. Spendet den Beton lieber für meinen lädierten Körper.
Schließich stehe ich hier seit fast drei Generationen bei Wind und Wetter, Eis und Regen unter freiem Himmel. Der neue Kollege, der im Foyer des Neanderthal Museums die Besucher so freundlich anlächelt, und mittlerweile als Top-Model vermarktet wird, sollte mal so lange im Freien stehen. Wetten, dass der es noch nicht einmal einen Monat aushalten würde. Ich will aber nicht frotzeln. Solange ich als Fotomodell für die Bilder von Touristen aus aller Welt hier im Neandertal gut genug bin, kann der Kollege nebenan ruhig die Marketingfotos übernehmen.
Übrigens Marketing: Dass das Tal zwischen Mettmann und Erkrath ein Anziehungspunkt ist, wussten bekanntlich die Menschen zu Joachim Neanders Zeiten schon. Und dann kamen auch die Maler. Und jetzt kommen immer mehr Touristen. Dafür muss die geeignete Werbung her. Und ein Masterplan, der die Schönheiten des Tales mit den kulturellen Angeboten verbindet. Hoffen wir einmal, dass die Umsetzung dieses Masterplanes nicht so lange dauert wie die Erstellung eines
Werbefilmes für den Kreis Mettmann. Für den gibt bis jetzt noch nicht einmal ein Drehbuch.
Bis dahin sollte auch klar sein, ob ich einen richtigen Namen bekommen habe, oder weiter als Beton-Neandi in der Öffentlichkeit behandelt werde. Auf gar keinen Fall möchte ich Karl Keule heißen, denn damit kann das Neanderthal Museum überhaupt nicht leben. Mit dem Namen "Neanderthali", so wie die Kreis-CDU mich nannte, kann ich auch nichts anfangen. Das wäre ein guter Name für die kleine Plüsch-Figur, mit der der Kreis Mettmann für sich wirbt.
Werbung mit der Menschheitsgeschichte machen auch die Mexikaner. Zumindest die, die aus Acolman kommen und sich zum Freundeskreises des Mannes von Tepexpán zählen. Für die Mexikaner ist der Mann von Tepexpán nämlich eine Art amerikanischer Neandertaler. Der Mann aus Mexiko ist im Vergleich zu uns Neandertalern ein Jungspund. Pech gehabt, liebe Gäste aus Mexiko. Trotzdem war es nett, dass ihr das Museum, mich und die Stadt Mettmann besucht habt. Nur wo euer Gastgeschenk aufgestellt wird, ist noch unklar. Die Bronze-Büste hat wahrscheinlich mit demMann von Tepexpán im Realen genauso viel Ähnlichkeit wie ich mit demKollegen im Museums-Foyer. Und der ist zumindestens nach den Originalknochen modelliert worden.
Aber was soll es. So lange es den Neandertaler-Fund gibt, so lange gibt es auch Diskussionen. Auch 2009, denn dann jährt sich der 200. Geburtstag von Charles Darwin. Das war der mit der Evolutionstheorie. Ich freu’ mich schon ’drauf. Bis dann...