1934: Eine trügerische Idylle
Langenfelder Chronik: Der Arbeitskreis Geschichte der VHS legt einen weiteren Band zur NS-Zeit vor.
Langenfeld. "Feste und Feiern - Siedeln und Bauen, Alltag in der Gemeinde Richrath-Reusrath" lautet der auf den ersten Blick unverfänglich erscheinende Titel des jüngsten Bandes der Langenfelder Chronik, den der Arbeitskreis Geschichte der Volkshochschule jetzt vorlegt.
Doch was der Kreis von zehn engagierten Hobby-Geschichtsforschern unter Leitung des Historikers Günter Schmitz in mühevoller Kleinarbeit aus Archiven über das Leben in Langenfeld zusammentrug, spiegelt keineswegs nur Idylle wider. Schließlich behandelt die 438 Seiten starke Dokumentation das Jahr 1934, das Jahr eins nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland die Demokratie abgeschafft hatten.
"Ich bin sehr gespannt auf die Reaktionen zu unserem Titel. Doch bei allen Überlegungen, fanden wir den am griffigsten", sagt Schmitz. Feste hätten in der Berichterstattung einen schier unglaublichen Umfang eingenommen. Egal ob von Kirche, Partei oder Vereinen organisiert, 20 bis 30 Feierlichkeiten wurden den gerade einmal 16 000 "Langenfeldern" 1934 Monat für Monat geboten. Doch anders als heute endeten alle Veranstaltungen gleich: "In Ergebenheitsadressen an das so genannte Dritte Reich und seinen Führer, mit Sieg-Heil-Rufen und Deutschlandlied", so der Arbeitskreisleiter.
Neben einigen Festschriften sind die wichtigsten Quellen für den Jahresband 1934 die Zeitungsbestände des Stadtarchivs Leverkusen. Gesichtet werden konnten Artikel der bürgerlich-konservativen "Allgemeinen Zeitung", der christlich orientierten "Bergischen Post" und des NS-Blatts "Volksparole". Die kommunistische "Bergische Volksstimme" war ’34 bereits verboten. Die ausgewerteten Berichte zeugten von einer "fröhliche Grundstimmung" stellt Schmitz fest.
Für die hat das Arbeitskreis-Mitglied Erika Keisinger-Monjau als Zeitzeugin eine plausible Erklärung: "Vorher gab es keine Arbeit, nur große Armut. Die Leute kamen 1934 von der Straße und hatten nicht nur Geld, um Brot zu kaufen, sondern auch etwas für ihre Kinder zu tun. Da haben sie gesagt: Jawohl, Führer. Du bist der richtige Mann", sagt die 85-Jährige. "Es war durchaus Idylle, die Menschen haben mit Freude ,Heil Hitler" gerufen, ohne zu wissen, wohin die Fahrt geht", pflichtet ihr Mitstreiter Kurt Heidrich bei.
Wer durch Um-, An- oder Neubau für Beschäftigung sorgte, sei öffentlich gelobt worden, weiß Günter Schmitz. Arbeit für viele brachten auch Siedlungsprojekte für kinderreiche Familien an der Hardt und in Richrath oder beim Bau von 8,5 Kilometern Reichsautobahn Düsseldorf-Köln (heute A 3) sowie der Ausbau des Gas- und Wasserleitungsnetzes.
Doch für Menschen, die nicht zur "Volksgemeinschaft" zählten, gab es die heile Welt nicht. Als "Schmarotzer am Markt der Völker" verunglimpft, verschärfte sich der Ton gegenüber Juden, bis hin zu Anzeigen, mit denen zu Weihnachten dazu aufgefordert wurde: "Kauft nicht beim Juden!"
Das "Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses" wurde in der Presse und bei Versammlungen als "humanitärer Akt" eingestuft. Die Patienten der "Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen" (Rheinische Kliniken) dienten dabei als Beweis, dass Behinderte "dem Wiederaufbau im Wege stehen".