4257 Hildener sind überschuldet
Soziales: Die Schuldner- und Insolvenzberatung versinkt in Arbeit. Allein seit Jahresbeginn haben 46 Menschen dort Hilfe gesucht. Inzwischen gibt es sogar eine Warteliste.
Hilden. Die Rate für den Fernseher und den Kredit kann Rainer M. als Erstes nicht mehr bedienen, als er nur noch Kurzarbeitergeld bekommt. Immerhin ist er nicht entlassen worden. Trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Schließlich müssen Miete, Telefonrechnung, Strom und Handy bezahlt werden. Die einzige Lösung heißt: Konto überziehen. Aber irgendwann sperrt die Bank die Karte und will das Geld zurück. Jetzt können nur noch weitere Kredite oder geliehenes Geld von Verwandten und Freunden helfen - aber auch das nur kurzfristig. Ein Fall, wie er für die Schuldnerberater beim Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer(SKFM) alltäglich ist.
"Wenn der Karren dann im Dreck ist, kommen die Leute zur Schuldnerberatung", erklärt Iris Peters vom SKFM. "Haushaltsplanung und ein bewusster Umgang mit Geld sind für viele Menschen Fremdwörter. Wenn dann durch Jobverlust die anstehenden Kosten nicht mehr gedeckt werden können, stehen viele Menschen vor einem Schuldenberg", weiß die Beraterin.
Rechnungen, Mahnungen, Pfändungen und Vollstreckungsbescheide landen bei vielen Hildenern täglich im Briefkasten. 4257 Personen sind überschuldet, die Schuldnerquote der Stadt liegt bei neun Prozent. Für die einzige Schuldnerberatung in Hilden bedeutet das eine große Nachfrage, eine zu große Nachfrage. Inzwischen musste sogar eine Warteliste für die Hilfesuchenden eingerichtet werden.
Jährlich können rund 450Menschen von der kostenlosen Schuldner- und Insolvenzberatung des SKFM betreut werden. "Es findet immer eine telefonische Erstberatung statt und existenzsichernde Maßnahmen, danach ist für viele Überschuldete eine Langzeitberatung notwendig", sagt SKMF-Dienststellenleiter Hubert Bader. Die Kapazitäten der Schuldnerberatung sind aber begrenzt. Das hat zur Folge, dass auf der Warteliste für die Langzeitberatung inzwischen 135überschuldete Personen stehen. "Die übliche Wartezeit liegt leider bei zehn bis zwölf Monaten", sagt Bader. Während dieser Zeit bleibt den Überschuldeten nichts anderes übrig als zu warten und "ruhig zu bleiben." Sie können sich aber jederzeit bei einer drohenden Eskalation melden.
Bei der Schuldner- und Insolvenzberatung teilen sich drei Mitarbeiter eine Ein-Zweidrittel-Stelle. Getragen wird das Projektvom Kreis Mettmann für die Arge und der Stadt Hilden. Eine vierte Honorarkraft arbeitet wöchentlich sechs Stunden und wird aus eigenen Mitteln, sprich Kirchensteuern (der SKFM gehört zur Caritas), finanziert. "Wir überlegen zurzeit, ob wir über Umschichtungen die Stunden der Honorarkraft kurzzeitig aufstocken, um die lange Warteliste abzuarbeiten", sagt Bader.
Von städtischer Seite gibt es keine Überlegungen, die Mittel für die Schuldnerberatung zu erhöhen. "Die personelle Ausstattung in Hilden ist vergleichsweise sehr gut", findet Bader. Trotzdem sieht der SKFM das Problem eines möglichen Anstiegs der Schuldnerquote. Grund hierfür ist die schelchte Wirtschaftslage und möglicherweise damit verbundenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Im Kreis Mettmann liegt Hilden auf Rang vier, was die Schuldnerdichte angeht. Oft hängt Armut und Überschuldung zusammen. 50 Prozent der Hilfesuchenden beim SKFM sind Arbeitslosengeld (ALG) I- oder ALG II-Empfänger. Gleichzeitig ist die Zahl von so genannten Bedarfsgemeinschaften, also registrierten Fällen von ALG II-Empfängern, im Jahr 2009 um 620Fälle gestiegen.
Vorsorge ist deshalb umso wichtiger, da bereits Jugendliche sich verschulden. Einer SKFM-Präventionsmaßnahme wurden für 2010 bis 2012 deshalb 20000Euro von der Stadt bewilligt. "Für das Projekt an Schulen können wir eine zusätzliche Arbeitskraft einstellen", sagt Bader. Die Stadt verspricht sich davon eine Langzeitwirkung. Monika Klemz, Leiterin des Amtes für Soziales und Integration, hofft, dass "Kinder und Jugendliche lernen, als verantwortungsvolle Verbraucher zu agieren." So soll die Zahl zukünftiger Überschuldeter verringert werden.