Erinnerung im Dreivierteltakt
Die Tanzschule Hupperich bietet regelmäßig Treffen für Demenzkranke an. Viele der Betroffenen können sich so besser in die alten Zeiten zurückversetzen.
Monheim. Auf den ersten Blick macht Martina Junge einen ganz normalen Eindruck. Eine moderne Rentnerin mit eleganten Sachen und einem warmen Lächeln. Vor allem jetzt beim Tanztreff für Senioren in der Tanzschule Hupperich sind sie und ihr Mann Hans eines der wenigen Paare, die alle Tänze sicher beherrschen. „Wir haben immer viel getanzt. Das vergisst man nicht!“, sagt Martina Junge.
Doch manchmal kommt sie dann eben doch, diese schreckliche Leere im Kopf. Man versucht sich zu erinnern, wo die Tasse oder der Teller hinkommt. Aber man weiß es nicht mehr. „Ich sage dann: Lass es einfach stehen. Ich mache das schon“, sagt Hans Junge. Der Rentner hat gelernt, mit der Demenz seiner Frau umzugehen.
Die Junges gehen offen mit der Demenz um, doch aus der Zeitung sollen die Leute nicht erfahren, dass Martina Junge unter der Krankheit leidet, die wohl nach und nach zum Verlust ihrer geistigen Funktionen führen wird. Deswegen ist hier auch nicht ihr richtiger Name zu lesen.
Für das Paar ist Martinas Diagnose kein Grund, sich zurück zu ziehen oder sich gar zu schämen. Das Tanzen bei Hupperich ist da nur eine von vielen Aktivitäten. Regelmäßige Spieleabende mit Freunden, Reisen mit großen Gruppen, Fahrradtouren mit den Enkelkindern und Dia- und Videoabende gehören zu den Freizeitaktivitäten der Junges.
„Man muss immer aktiv bleiben“, rät Hans Junge. „Auch wenn man alleine steht und keinen Ehepartner mehr hat, darf man sich nicht zu Hause einschließen, weil es einem peinlich ist, dass man vergisst.“
Beim Diagucken kommen dann Martina Junges Erinnerungen zurück. „Meistens ist es so, dass sie sich an Dinge, die weit zurückliegen, viel besser erinnern kann, als ich“, sagt Hans Junge. Das sei typisch für Demenz, erklärt er.
Vor kurzem hat er an einem Seminar für Angehörige von Demenzkranken teilgenommen. Und auch sonst setzt er sich sehr mit dem Thema auseinander. „Das Langzeitgedächtnis funktioniert noch sehr gut. Nur das Kurzzeitgedächtnis lässt nach.“
Hier knüpft auch die Idee von Tanzschulleiter Josef Hupperich an, der einmal im Monat seine Tanzschule für Senioren mit und ohne Demenz öffnet. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Demenz möchte er den Menschen Gelegenheit bieten, aus ihrem Alltagstrott heraus zu kommen und sich durch die Tanzmusik und die Standard-Tänze wieder an ihre Jugend zu erinnern.
Eigens dazu haben er und seine Frau eine halbjährige Ausbildung für Demenztanzen gemacht. „Gerade sind wir noch in der Aufbauphase und probieren ein bisschen aus, was man machen kann“, erzählt Hupperich in einer Pause. „Viele erinnern sich erst wieder an die Tanzschritte, wenn sie sie sehen.“
Neben vielen Senioren aus Einrichtungen, wie dem Baumberger Peter-Hofer-Haus und der Bergischen Diakonie in der Kirchstraße sind auch einzelne Paare, wie Martina und Hans Junge dabei, die die Gelegenheit nutzen, ihr Hobby auszuüben.
Dann kommt er endlich, der altbekannte Dreivierteltakt des langsamen Walzers. Erinnerungen an die Studienzeit kommen zurück. Der erste Tanz mit dem jungen Studenten Hans, der Hochzeitstanz, der Abiball der Enkeltochter. . .