Gemeinsam zur Entschuldung
Winfried Graw versucht, seinen Vorwurf, Ratsmitglieder würden keine dicken Vorlagen lesen, zu relativieren.
Langenfeld. Wenn Winfried Graw dieser Tage durch Langenfeld spaziert, dann passiert es dem Christdemokraten öfter, dass ihm selbst Parteifreunde aus dem Weg gehen. Ungewöhnlich für einen Mann, der wegen der von 1986 bis zur Pensionierung 2004 erworbenen Verdienste als Kämmerer mit dem Ehrenring ausgezeichnet wurde. Schließlich wurden die Weichen für Langenfelds beispielhaften Schuldenabbau mit Graws Amtsantritt gestellt. Doch jemand, der anderen öffentlich ins Stammbuch schreibt, dass sie ihre Hausaufgaben nicht erledigen, fällt bei den Gescholtenen nun mal schnell in Ungnade.
Genau das ist Winfried Graw mit seinem Fernsehauftritt bei "Stern-TV" geschehen. Die Entschuldungserfolge hätten sich Jahr für Jahr in den umfangreichen Jahresrechnungen zum Haushalt verbergen lassen, weil Ratsmitglieder lange Vorlagen eh nicht lesen würden, wiederholte er vor der Kamera, was er Ende Januar schon in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mitzuteilen hatte.
"Mit dieser Aussage brüskiert Graw den Stadtrat", sagte Bürgermeister Magnus Staehler (CDU) der WZ. Die Verwaltung habe stets korrekt und umfassend berichtet. Von einem "Verstecken" könne keine Rede sein.
Der Gegenwind, den Graw zu spüren bekam, veranlasste ihn gestern, seine Aussagen zu relativieren. "Ich bin auf den Bürgermeister zugegangen, denn ich lebe nicht gerne im Streit", sagte Graw, der noch als Schiedsmann aktiv ist. Daraufhin gab Magnus Staehler seinem Ex-Kämmerer mit einer Pressekonferenz die Bühne für seine Richtigstellungen.
Diese bestanden im Wesentlichen darin, dass er im Fernsehen -verkürzt wiedergegeben worden sei. Auch gegenüber "Stern-TV" habe er darauf hingewiesen, dass Langenfelds Entschuldung ein Gemeinschaftswerk ist. Das sei herausgeschnitten worden. Das betreffe zum Beispiel Hinweise auf die sparsame Personalplanung und die Gewerbepolitik.
"Der entscheidende Schritt war, dass wir die Rats-Mehrheit davon überzeugen konnten, eine Netto-Neuverschuldung Null mitzutragen. So kamen Überschüsse Jahr für Jahr unserer Entschuldung zugute", sagte Graw. Die sinkende Darlehensaufnahme und der jeweilige Schuldenstand seien immer genau und schriftlich dargelegt worden. Graw: "Doch nicht jeder liest das ganze Paket. Und ich habe nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, um keine neuen Begehrlichkeiten zu wecken." Mit der ihm von der SPD unterstellten "Lümpchen-Bildung" habe das nichts zu tun. Bei den zusätzlich erzielten Überschüssen handelte es sich um verbesserte Steuereinnahmen, die so nicht abzusehen gewesen seien.
Von 788 auf 60 Euro Im Jahr 1986 erreichte Langenfelds Verschuldung mit 788 pro Kopf ihren Höchsstand. Eine nach dem Zweiten Weltkrieg rasch wachsende Stadt hatte für den Bau der erforderlichen Infrastruktur Kredite aufnehmen müssen. Damals übernahm Winfried Graw das Amt des Kämmerers von Paul Böhm. Jetzt zeigt die Entschuldungsuhr am Rathaus knapp über 60 Euro an. Die Summe der Verbindlichkeiten beläuft sich damit auf rund 3,5 Millionen Euro.
2008 schuldenfrei Zum 60. Stadtgeburtstag am 3. Oktober 2008 soll Langenfeld schuldenfrei sein.
Fünf Millionen Überschuss Gestern zog Bürgermeister Magnus Staehler eine finanzielle Halbjahresbilanz für 2007: Demnach könnte die Stadt in diesem Jahr aufgrund der brummenden Wirtschaft einen Haushaltsüberschuss " von mindestens fünf Millionen Euro" erzielen.
25 Millionen Rücklage Erstmals müsste die Rücklage von bis zum Jahresende 26 Millionen Euro nicht angegriffen werden. Die Sonderrücklage für Pensionen von verwaltungsmitarbeitern soll von fünf auf sieben Millionen Euro anwachsen.