Hilden: Die Nachbarn schauen hin
Der Erfolg des Hildener Kinderschutzsystems zeigt sich auch in den gestiegenen Kosten.
Hilden. Kinderschutz hat seinen Preis: Es hilft den Kindern, und es belastet die Stadtkasse. Einerseits werden durch ein funktionierendes System die Problemfälle früher und häufiger entdeckt, andererseits steigen dadurch die bekannt gewordenen Fälle, in denen das Jugendamt eingreifen muss - und damit auch die Kosten.
Fast fünf Millionen Euro hat die Stadt im kommenden Jahr allein für die Hilfen zur Erziehung eingeplant. Ob diese Summe reicht, ist allerdings fraglich. Vorausgesetzt der traurige Trend der vergangenen Jahre setzt sich fort, dann wird auch nächstes Jahr die Zahl der Fälle weiter steigen.
So wurden beispielsweise im Jahr 2006 monatlich bis zu 186 Familien betreut, ein Jahr später waren es schon mehr als 200 und in diesem Jahr mehr als 250.
Hinter jedem Fall verbirgt sich ein Schicksal. Etwa das zweijährige Kind, das im Elternhaus grün und blau geprügelt wurde. Nachbarn hörten das Kind häufig weinen. Sie erzählten es Bekannten, die den Allgemeinen Sozialen Dienst der Stadt informierten.
Deren Mitarbeiter überzeugten sich vor Ort, nahmen das Kind mit zu einem Kinderarzt, der es zur rechtsmedizinischen Begutachtung in die Uni-Klinik nach Düsseldorf schickte. Als dort die körperliche Misshandlung bestätigt wurde, ordnete das Amtsgericht den Entzug der elterlichen Sorge an. Noch heute lebt das Kind bei seiner Pflegefamilie.
Das ist zwar kein alltäglicher Fall, kommt aber immer wieder vor. Allein von 2007 auf 2008 ist die Zahl der Inobhutnahmen um 100 Prozent (von sechs auf zwölfFälle) gestiegen. "Schließlich ist Hilden keine Insel der Glückseligen", sagt Jugend- und Sozialdezernent Reinhard Gatzke im Hinblick auf den von seinem Dezernat vorgelegten Bericht über die Sozialen Dienste der Stadt. Die liegt damit im bundesweiten Trend: "Die Gesellschaft verändert sich", so Gatzke.
Eine Veränderung zeigt sich dabei auch in der gestiegenen Wachsamkeit: "Die Nachbarn schauen häufiger hin", sagt Gatzke. Und seine Mitarbeiter gehen jedem Fall nach. Meistens ist dann auch ein Einschreiten notwendig. "Denunzierung spielt kaum eine Rolle", sagt Jugendamtsleiterin Noosha Aubel.
Die Inobhutnahme von Kindern ist der letzte Schritt. Das Kinderschutzsystem setzt in Hilden schon viel früher an. Bereits vor der Geburt werden Hilfen angeboten. Und dieses Frühwarnsystem hat sich bewährt. Gatzke nennt es sogar "vorbildlich". Dass dadurch die Fallzahlen steigen, "ist ein gewünschter Effekt", sagt Aubel - auch wenn dadurch der Kinderschutz mehr kostet.