Hilden: Stadtbücherei - Klein, gelb und unverzichtbar

Ausstellung „Mein Reclam“ zum 200. Geburtstag des Verlagsgründers.

Hilden. Wohl jeder hatte sie in seiner Schulzeit schon einmal in der Hand. Dann haben sie entweder die Begeisterung an klassischer Literatur geweckt, oder für Frust und Verzweiflung gesorgt: Die kleinen gelben Reclam-Heftchen sind aus dem Deutsch-Unterricht nicht mehr wegzudenken. Aber auch in anderen Bereichen haben die Mini-Taschenbuchausgaben einen Siegeszug angetreten. Opernbesucher nutzen sie, um vor der Aufführung den Inhalt des Stückes zu studieren, andere besitzen mehrbändige Gesamtausgaben oder sogar Lexika.

Anlässlich des 200. Geburtstags von Verlagsgründer Anton Philipp Reclam ist bis Ende September eine Ausstellung in der Stadtbücherei zu sehen. Unter dem Titel "Mein Reclam" werden dort 250 persönliche, besondere und antiquarische Ausgaben gezeigt - von liebevoll bemalten Heften über Ausgaben für Klassenarbeiten, in die noch schnell die wichtigsten Stichpunkte hineingekritzelt wurden, bis hin zu antiquarischen Schätzchen aus dem 19. Jahrhundert.

"Fast jeder hat mindestens ein Reclam-Bändchen zu Hause", weiß Gabriele Belloff, Leiterin der Stadtbücherei: "Ähnlich wie bei der Ausstellung ’50 Jahre Bravo’ rufen diese Büchlein bei den meisten persönliche Erinnerungen hervor." An einigen Erinnerungen kann der Besucher in der Ausstellung teilhaben. Was mochte Thomas Bernhardt wohl von Goethes "Götz von Berlichingen" gedacht haben, als er einen blanken Hintern auf die Titelseite skizzierte? Wie aufmerksam folgte der farbenfrohe Zeichner dem Unterricht über Kleists Michael Kohlhaas?

Seltenheitswert besitzen die Feldpostausgabe eines Reclambandes und eine Ausgabe aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf dem Innenband ist die Lizenznummer der amerikanischen Alliierten vermerkt. Teuerstes Exemplar mit einem Versicherungswert von 1500 Euro ist der Abdruck einer Festrede, die Thomas Mann anlässlich des 100-jährigen Verlagsjubiläums 1928 hielt. "Das Exemplar ist sogar signiert. Aber ob die Unterschrift wirklich von Thomas Mann ist, konnten wir nicht feststellen", erzählt Belloff. Die ältesten Exemplare der Ausstellung stammen aus dem späten 19. Jahrhundert.

1807 wird Anton Philipp Reclam in Leipzig geboren. Mit 21 Jahren leiht er sich 3000 Taler von seinem Vater, kauft damit das Literarische Museum, eine Leihbibliothek mit Lesekabinett, und gründet einen eigenen Verlag ("Verlag des literarischen Museums").

1837 Anton Philipp nennt seinen Verlag um in Philipp Reclam jun.

1858 Eine preisgünstige Shakespeare-Ausgabe erscheint. Sie ist unmittelbarer Vorläufer der Universal-Bibliotheks-Reihe.

1923 In der Hochinflation kostet ein UB-Band 330 Milliarden Reichsmark.

1970 Die Bücher erhalten ihr farbiges Markenzeichen: Sie erscheinen im neuen gelben Umschlag. Zweisprachige Ausgaben (orange) ergänzen das Programm.