Hilden: Vorurteile abbauen Russland-Austausch

15 Schüler nahmen an einem Russland-Austausch teil. Die überschaubare Siedlung mit ihren gastfreundlichen Einwohnern gehört zu Anapa, einer 57.000-Einwohner-Stadt am Schwarzen Meer.

Hilden. "Es war einfach klasse", schwärmen Liam Oels, Andreas Uhr (beide 15) und Jan-Lukas Waibel (16). "Schließlich haben wir Russland auf eine Weise kennen gelernt, wie es normalerweise nicht möglich ist." Nicht als Touristen, die von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten geschleust werden, "sondern als Teil einer Dorfgemeinschaft, als Teil des russischen Lebens".

Elf Tage lang - von Mitte bis Ende Juli - waren die drei sowie zwölf weitere Schüler im Alter zwischen 14 und 20 Jahren in Blagoweschenskaja zu Gast. Die überschaubare Siedlung mit ihren gastfreundlichen Einwohnern gehört zu Anapa, einer 57.000-Einwohner-Stadt am Schwarzen Meer. Anapa wiederum lockt mit seinen Stränden sowie einem beinahe mediterranen Klima und ist vor allem bei den Einheimischen als Kurort beliebt.

Seit 13 Jahren inoffiziell, seit zehn Jahren offiziell besteht die Bindung zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde Hilden und der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Saratow/Marx, dem Sitz des gleichnamigen Verwaltungsbezirkes.

"Wir hatten damals rund 250 russlanddeutsche Schüler in unserem Schulzentrum an der Gerresheimer Straße", erinnert sich Diplom-Sozialarbeiter Dirk Marquardt-Lengerke (46), der die Gruppe begleitete. "Sie bildeten immer ihren eigenen kleinen Kreis, abgeschottet von den deutschen Mitschülern." So sei die Idee entstanden, dem entgegenzuwirken - langsam und erst in Form von Treffen in Hilden.

Daraus sei der Gedanke gereift, die Menschen in ihrem Heimatland zu besuchen. "Wir wollten sehen, wie sie leben und vor allem gegenseitige Vorurteile abbauen."

1997 brach die erste Gruppe mit Schülern aus dem evangelischen Schulzentrum und dem angegliederten Internat in Richtung Schwarzes Meer auf. "Damit waren wir damals bundesweit die ersten, die gezielt einen Schüleraustausch mit Russlanddeutschen in deren alter Heimat organisiert haben", betont Dirk Marquardt-Lengerke.

Inzwischen sind die gegenseitigen Besuche fester Bestandteil im jährlichen Terminkalender - auch wenn auf Hildener Seite die Zahl der Russlanddeutschen stark zurückgegangen sei. "Jetzt waren nur sieben dabei", erzählt Diplom-Sozialpädagogin Micaela Boese (39), die ebenfalls als Betreuerin dabei war. "Teils sind sie Kinder derjenigen, die damals zu den Pionieren gehörten."

Untergebracht waren die Hildener in einem Gästehaus, das einer russlanddeutschen Familie aus Essen gehört. "Tagsüber waren wir entweder in Workshops (siehe Infokasten, die Red.) beschäftigt oder mit den einheimischen Jugendlichen unterwegs", erzählt Jan-Lukas Waibel. "Natürlich durfte auch ein Strandbesuch nicht fehlen."

Was Liam, Jan-Lukas, Andreas und den anderen am meisten imponiert hat, waren die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit der Russen. "In der Pariser Metro habe ich als deutscher Schüler schon mal Ärger bekommen", sagt Andreas Uhr.

"Ganz anders in Russland: Weder in Anapa noch in einer anderen Stadt ist uns jemand feindselig begegnet. Im Gegenteil. Ob auf einem der Basare, in der Stadt oder beim Fußball mit den anderen Dorfjugendlichen: Wir haben nur gute Erfahrungen gemacht."

Gewöhnungsbedürftig waren holprigen Straßen und dass schon mal der Strom ausfiel. "Aber das wird dort locker genommen", sagt Jan-Lukas, der sich auf den Gegenbesuch der russischen Freunde im nächsten Sommer freut. "Bis dahin bleiben wir per E-Mail in Kontakt."