Kaltblüter brauchen ziemlich starke Nerven

Die Familie Reuter betreibt auf dem Gelände von Haus Bürgel eine Kaltblutzucht.

Monheim. Als vor der Geburt ihrer jüngsten Tochter Ida die Wehen einsetzten, packte Katrin Reuter kurzentschlossen ihr Köfferchen, setzte sich auf den Traktor und fuhr ins Krankenhaus. „Mein Mann war mit dem Auto bei der Arbeit in Köln, die Kinder waren untergebracht. Ich hätte mir auch ein Taxi rufen können, aber ich habe den Traktor genommen“, sagt die 41-jährige Mutter von vier Töchtern. Sie ist eben eine Praktische. Das muss sie aber auch sein. Zusammen mit ihrem Mann Herbert führt die gelernte Landwirtin eine Kaltblutzucht und eine Pferdepension auf dem Gelände von Haus Bürgel in der Urdenbacher Kämpe.

Eine knappe halbe Autostunde von Düsseldorfs Zentrum entfernt, führt die Familie dort ein Leben, das anders als das der meisten Düsseldorfer ist. Die Lage des Hofs in den grünen Rheinauen führt dazu, dass bei Hochwasser, wenn die Zufahrtsstraße gesperrt ist, sie auch schon einmal abgeschnitten sind von der Umgebung. Das war auch der Fall, als Katrin Reuter mit ihrer ältesten Tochter Anna schwanger war. „Ich hatte einen Arzttermin in Garath, den ich unbedingt wahrnehmen wollte“, erinnert sie sich. Also zog sie sich eine Anglerhose über den dicken Bauch und ging mit ihrem Mann über die überschwemmten Weiden durch hüfthohes Wasser. „Da ist noch ein Fuchs an uns vorbeigeschwommen.“

Morgens um sechs beginnt ihr Tag mit dem Füttern der Kaltblüter Tilda, Tora, Eberhard, Torsten, Else und des zwei Wochen alten Fohlens Thea-Isolde. Die Pferde sind alle Abkömmlinge aus dem Stamm, mit dem Reuters Schwiegervater die Zucht in den 1970er Jahren aufgebaut hatte. Damals war die alte Haustierrasse der Kaltblüter kurz vor dem Aussterben: zwölf Stuten und fünf Hengste verzeichnete das Rheinische Pferdestammbuch in NRW damals gerade mal. Noch in den 1950er Jahren hatte es immerhin 22 000 Kaltblüter im Land gegeben, aber schon bald wurden die Tiere in der Landwirtschaft komplett durch Maschinen ersetzt.

Die Kaltblüter der Familie werden auch nicht auf dem Acker eingesetzt. Sie haben im Brauchtum, auf Schützenfesten, bei Pferdeshows wie der Equitana, Hochzeiten, und im Karneval ihren Auftritt und ziehen fein herausgeputzt die Kutsche. Ein junges Prinzenpaar beim Kinderzoch auf der Kö haben Eberhard und Tora gezogen, ein Mutter-Sohn-Gespann. „Tora ist ein unheimlich sicheres und gelassenes Pferd. Ein Jüngeres orientiert sich dann daran“, erklärt Reuter. Beim Rosenmontagszug in Köln waren die beiden Kaltblüter vor dem Karschöttchen der Roten Funken eingespannt (in dem Gefängniswagen verbirgt sich die Zugtoilette). Reuters Mann hält dann die Leinen, sie geht nebenher. „Das ist schon eine Stresssituation für die Pferde, für uns ist es auch eine Ausnahmesituation, die gut vorbereitet sein will.“

Etliche Wochen vor den turbulenten Einsätzen beginnt Reuter mit dem Training. Damit die Tiere dem langen Einsatz auch konditionell gewachsen sind, reitet und fährt sie dann fast täglich mit ihnen aus. Auch auf die Geräuschkulisse bereitet sie die Tiere vor. „Morgens beim Füttern nehme ich den Ghettoblaster mit in den Stall und lasse Marschmusik laufen, erst leiser, dann immer lauter, um die Pferde daran zu gewöhnen.“ Mit einer Feuerschale im Hof, Futter und viel Geduld bereitet sie die Kaltblüter schließlich auf das Martinsfeuer vor, damit sie nicht bei dessen Anblick ihrem angeborenen Fluchtinstinkt folgen.

Einen Hof zu führen, bedeutet Verantwortung rund um die Uhr. „Urlaub machen ist schwierig“, sagt Reuter. „Einer muss ja immer bei den Tieren bleiben.“