Schädel gibt weiter Rätsel auf
Archäologie: Noch ist der Fall, der hinter dem genagelten Schädel steckt, nicht vollends gelöst.
Langenfeld. Wurde ihr in ihrem kurzen Leben die Beachtung vergönnt, die ihr jetzt zukommt? Eine Besonderheit war diese Frau schon - das heißt, wenn es überhaupt eine Frau war. Ein DNA-Test steht noch aus. Doch der Fund eines Schädels von grazilerForm beschäftigt den forensischen Archäologen Dr. Peter Pieper und seine Assistentin Britta Schlüter, seit sie den Schädel, der über Jahrzehnte in einer Schachtel in einem Museum in Meckenheim lag, fast Tag und Nacht.
Viel haben sich die Bauarbeiter nicht gedacht, als sie am 16.April 1964 bei Ausschachtungsarbeiten an der Kölner Straße in einer Baugrube den Knochenfund machten. Man ist so unachtsam mit dem Schädel verfahren, dass weitere Hinweise und Funde weder beachtet noch dass weiter nach ihnen gesucht wurde. "Zähne hätte man schon noch finden können", ist sich Experte Pieper sicher.
Seit er seine Forschungen an dem Schädel aufgenommen hat, gibt der Knochenfund Rätsel auf. Im Kulturausschuss hatte Pieper im September schon über seine Erkenntnisse berichtet. Der Knochen ist von einem Nagel durchbohrt. Warum, das trug der forensische Archäologe im Flügelsaal unlängst allen an dieser Geschichte interessierten Bürgern vor. "Spannend ist das schon", sagt Pieper. Die grausamen Riten der Vergangenheit mussten einige Zuhörer erst einmal verarbeiten. Denn die Schilderungen im Sachsenspiegel, dem hochmittelalterlichen Rechtsbuch, der die drakonischen Strafen bis ins kleinste schildert, sind nichts für zarte Gemüter. Den Kopf hatte man der Dame abgeschlagen und damit noch Gnade vor Recht ergehen lassen. Eine Enthauptung ist schnell vorüber, erhängen, erdrosseln, verbrennen, und was es sonst noch an Grausamkeiten gibt, verlängert den Tod qualvoll - aber diese Frau konnte mit "Milde", rechnen.
Warum wurde der Gnadenerweis gewährt? "Es war eine höher gestellte Frau. Ihre Zähne waren sehr gut in Ordnung, kein Hinweis auf Karies. Sie war von graziler Gestalt, bestimmt sehr hübsch, sie war in den allerbesten Jahren, unter 30 vermutlich, denn die Schädelnaht, die im Laufe des Lebens sich glättet, war noch vorhanden", erklärt Peter Pieper.
Dass die Frau aus Langenfeld stammte, ist für den Expetren eher unwahrscheinlich. Doch durch Langenfeld führte eine wichtige Handelsstraße, und es war früher eine gebräuchliche Methode, die Schädel der Geköpften auf Pfähle zu stecken und somit das Volk abzuschrecken. Wer einen Meineid beging, dem wurde die Hand abgehackt. Dennoch gab es Hexerei und Zauberei.
Ob die schöne junge Frau eine Hexe war oder eine Mörderin? Peter Pieper hat in Archiven die Schilderung verschiedener Hexenprozesse studiert. Der Langenfelder Schädel wäre in den Dokumenten zu identifizieren. Er wies einige Besonderheiten auf. Die Dame muss einen besonders eleganten Kopfputz getragen haben wie ihn die Damen beispielsweise in Byzanz trugen. Der Zeitpunkt der Enthauptung konnte mit Hilfe einer C14-Analyse eingegrenzt werden: Zwischen 1668 bis 1707 haben die Experten den Todeszeitpunkt ausgemacht. Die DNA-Analyse lässt auf sich warten, in Göttingen ging wahrscheinlich ein eingeschickter Zahn, der zur Identifizierung führen sollte, verloren.
"Der Schädel ist hyperfeminin", sagt Experte Pieper, "doch man kann sich irren. Es wurde schon einmal ein Schädel zu 100Prozent einer Frau zugeschrieben und alle im Dorf wussten aber, dass es der Pfarrer war."
Fundort: Am 16. April 1964 förderte ein Bagger bei Ausschachtungsarbeiten auf dem Gelände der Firma Keller, Kölner Straße50, Flur13, den wohl weiblichen Schädel zutage. In ihm steckte noch ein fast 50Zentimeter langer Eisennagel. Der Fundort wurde nicht weiter abgesucht.
C14-Methode: Nach dem Tode des Menschen hört der Stoffwechsel auf, von einem toten Organismus wird kein radioaktives C14 aufgenommen. Somit zerfällt das Element. Spezialisten können so den ungefähren Todeszeitpunkt feststellen.