Schicksale aus 1400 Karteien

Karl-Heinz Hennen will ein umfangreiches Buch über ein bisher wenig beleuchtetes Kapitel Monheims im Dritten Reich herausbringen: Zwangsarbeiter.

Monheim. Wer heute in der Baumberger Rheinterrasse sitzt, kann sich wohl nicht vorstellen, dass im dortigen Saalanbau im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter untergebracht waren. Und wer weiß schon noch, dass im Monheimer Süden, kurz vor Hitdorf, UCB-Werkswohnungen am Mäuseturm ehemals als Gefangenenunterkünfte dienten. Dort waren in der Rheinischen Pappenfabrik mit 306 Menschen auch die meisten Zwangsarbeiter eingesetzt. Das weiß Karl-Heinz Hennen zu berichten. Und er will darüber ein Buch veröffentlichen.

„Ohne die Zwangsarbeiter wäre hier alles zusammengebrochen“, sagt der ehemalige städtische Fachbereichsleiter für Bildung, Kultur und Sport. Die meisten kampffähigen Männer waren an der Front. Was für eine Dimension: Die Gemeinden, Monheim, Baumberg und Hitdorf hatten zusammen knapp 8000 Einwohner — und 1400 in Karteikarten registrierte Zwangsarbeiter. Hinzu kamen freiwillige 400 Arbeitskräfte, vor allem aus den Niederlanden, die bereits vor dem Krieg gekommen waren. Dort herrschte laut Hennen Überbevölkerung.

Die Mehrheit der von den Deutschen verschleppten Menschen kam aus Russland (320). Es folgte die Ukraine (279) und Polen (240). Aber auch 167 italienische Zwangsarbeiter lebten in Monheim — hauptsächlich bei der Rhenania Raffinerie (später Shell) eingesetzt. 26 Prozent arbeiteten in landwirtschaftlichen Betrieben. Hennen kam bei seinen Recherchen zugute, dass das Rathaus über sehr gut erhaltene Karteien aus jener Zeit verfügt. „Zum Glück sind die Unterlagen bei Kriegsende nicht vernichtet worden“, sagt Stadtarchivar Michael Hohmeier.

„Ich hatte seit langem vor, ein Buch über die Zwangsarbeiter in Monheim zu schreiben. Das ist bisher weitgehend unbeleuchtet geblieben“, erläutert Hennen. Das wird sich mit den mehr als 200 Seiten ändern. Hennen hofft, schon bald genügend Sponsoren zu haben, so dass gedruckt werden kann.

Der 69-Jährige beschränkt sich dabei nicht auf die Auswertung der Karteien. Mit Urgestein Karl König und dem gebürtigen Baumberger Ferdi Weyler kommen auch Zeitzeugen zu Wort.

Das Thema Zwangsarbeit ist auch die Beschäftigung mit dem Tod. Mindestens 37 Tote wurden registriert. Die meisten Menschen starben bei Fliegerangriffen der Alliierten. Hinzu kommen nicht registrierte Menschen, die in Krankenhäusern außerhalb Monheims meist an Tuberkulose starben. Und es gab Unterschiede in der Behandlung. Laut Hennen hatten die Zwangsarbeiter bei der Rhenania sowie der Kettenfabrik Pötz & Sand ein schweres Los. Bei der Pappenfabrik und der benachbarten Sprit ging es menschlicher zu.

Und bei allem Elend schafft es der Autor auch, ein rührendes Kapitel einzuflechten: Da ist zum Beispiel die Geschichte von Ewgenija Mechedowa und Octave Courvoisier. Die junge Ukrainerin arbeitet bei Pötz & Sand. Nach schwerer Bombardierung im Februar 1945 wird sie umquartiert auf den Verresberger Hof in Baumberg. Dort lernt sie besagten Franzosen kennen. Es funkt. Nach der deutschen Kapitulation nehmen die Zwei keineswegs den ersten Zug gen Heimat. Sie heiraten am 11. Mai 1945 in Monheim. Und erst später zieht es das junge Paar in Courvoisiers Heimat nach Frankreich. Auch das ist ein Stück Geschichte der Monheimer Zwangsarbeiter.