Zaghafter Hilfeschrei im Alter: Einkaufen zu Centbeträgen bei der „Tüte“
Angebote wie das soziale Lebensmittelgeschäft des SKF sollen Not lindern. Besonders Senioren trauen sich jedoch oft nicht, um Unterstützung zu bitten.
Langenfeld. Ingeborg Lange hat ein Gespür für Menschen. Besonders für alte Menschen, und für solche, denen es nicht so gut geht wie anderen. Die 71-jährige Monheimerin hat lange im Langenfelder Sozialamt gearbeitet, heute ist sie Mitglied des Monheimer Seniorenbeirates und engagiert sich ehrenamtlich bei der „Tüte“, dem Lebensmittelgeschäft des SKF in Langenfeld.
„Am Sozialamt konnte ich früh die Menschen motivieren, Leistungen in Anspruch zu nehmen. Auch im Seniorenbüro in Monheim merke ich oft, dass es den Leuten schwer fällt, um Hilfe zu bitten. Wenn zum Beispiel kein Geld für einen Ausflug da ist, heißt es, man sei krank. Dass man sich etwas nicht leisten kann, würden viele nie zugeben“, sagt Ingeborg Lange. „Das sitzt in dieser Generation drin. Junge Leute gehen damit ganz anders um und haben keine Probleme damit, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.“
Bei der „Tüte“ ist Lange seit Beginn dabei, über die Arbeit im Sozialamt ist sie dazu gekommen. „Das ist was Gutes, eine sehr wichtige Aufgabe“, sagt sie, und die Tätigkeit dort passt zu ihr: „Ich bin selbst ein Mensch, der Lebensmittel nicht wegwirft.“ Ein- bis zweimal im Monat hat sie Dienst. „Insgesamt sind 25 Ehrenamtliche für die ,Tüte’ zuständig. Außerdem kümmert sich eine hauptamtliche Teilzeitkraft um die Logistik für die Lebensmittel“, erklärt Christiane Rommel, Vorsitzende des SKF.
„Vor rund neun Jahren begann alles in einem Lebensmittelgeschäft. Da sagte jemand, wie schade das doch sei, dass die Düsseldorfer Tafel dort keine Lebensmittel abholt“, erinnert sich Rommel an die Anfänge. „Warum die Tafel in Düsseldorf?“, fragte sie sich. Das Ergebnis: Ein rund 100 Quadratmeter großer, alter Schulcontainer an der Immigrather Straße dient als Geschäft. Fast 100 Langenfelder Haushalte sind wegen ihres geringen Einkommens berechtigt, dort für Cent-Beträge einzukaufen. Zwölf Supermärkte und Bäckereien beliefern die „Tüte“ — „Es dürfen gerne mehr werden“, sagt Christiane Rommel lächelnd.
„Bei uns sollen die Menschen nicht entmündigt werden, sondern richtig einkaufen gehen. Und sie freuen sich, wenn sie dort Lebensmittel kaufen können, die für sie sonst unerreichbar sind. Wir bekommen ja hin und wieder auch höherwertige Dinge, zum Beispiel Lachs“, sagt Rommel. Damit alles gerecht zugeht und es kein Gerangel im Laden gibt, wird die Reihenfolge der Kunden ausgelost, bevor sich die Tür öffnet. Trotzdem: Viele trauen sich nicht, das Angebot der „Tüte“ wahrzunehmen, glaubt Rommel. Aber diese Menschen seien schwer greifbar, „denn sie kommen ja erst gar nicht zu uns.“
Wenn sie allerdings dann vor den Regalen der „Tüte“ stehen, können sie nicht nur mit einer gefüllten Einkaufstasche rechnen, sondern auch mit Ansprache. „Durch meine beruflichen Erfahrungen kann ich anders auf die Menschen zugehen“, sagt Ingeborg Lange. „Ich möchte ihnen Mut machen und das Gefühl geben, dass sie offen reden können. Wenn sie dann gehen, geht es ihnen besser. Ein Gespräch ist wichtig. Das war es für mich immer schon.“