Erkrath: Mit Volldampf gegen die Wand
Vor 170 Jahren wurde das erste Steilstück der Strecke Düsseldorf-Elberfeld in Betrieb genommen. Die Hochdahler Steigung war zunächst unüberwindlich.
Erkrath. Kunden vor ihrem Reiseziel aus dem Zug zu werfen, hat bei der Bahn Tradition. Nicht erst in jüngster Zeit werden Fahrgäste vor die Waggontür gesetzt, wenn der Schaffner meint, ihr Benehmen sei unterdurchschnittlich. Derartige Erziehungsmaßnahmen sind so alt wie das Verkehrsmittel selbst.
Mit dem Unterschied, dass 1838, als zwischen Düsseldorf und Erkrath die erste Eisenbahnstrecke Westdeutschlands in Betrieb genommen wurde, Kranke und Betrunkene grundsätzlich nicht befördert wurden.
Wer sich auf das Wagnis einließ, mit über 20 Sachen durch das Rheinland zu rasen, sollte dieser Herausforderung zumindest geistig und körperlich gewachsen sein. Wer sich daran hielt, durfte an der nächsten Station aussteigen.
Die Alternative zum schnaufenden und fette Rußwolken speienden Dampfwagen, das Pferdefuhrwerk, war vor allem den Industriellen im Tale der Wupper - die Stadt Wuppertal gab’s damals noch nicht - ein Anliegen. Sie wollten ihre Ware schneller und preiswerter zum Rheinhafen in Düsseldorf transportieren können.
"Wenn man sich vorstellt, dass die Fuhrwerke damals über Hohlwege fahren mussten, versteht man, dass sie acht Mal langsamer waren als später die Bahn", sagt Udo Kampschulte, der als Vorsitzender des Museumsvereins Lokschuppen wie wenige sonst weiß, wovon er spricht.
Mit dem Bau der zunächst knapp zehn Kilometer langen Verbindung der Düsseldorfer Station im Bereich der heutigen Kreuzung von Königsallee und Graf-Adolf-Straße im Westen und der Bahnstraße auf Erkrather Stadtgebiet im Osten wurde am 9.April 1838 begonnen.
Acht Monate Bauzeit sind aus Kampschultes Sicht rekordverdächtig. "Das gab’s keine Brücken und keine Tunnel, die zu bewältigen waren." Die Leichtigkeit des Trassenvortriebs sollte allerdings bald an der Hochdahler Steilwand zerschellen.
Zunächst aber pendelte die Bahn eingleisig zwischen Düsseldorf und Erkrath. Begegnungen der entgegenkommenden Art blieben trotzdem aus. Feste Fahrpläne gab’s keine, in der dritten Klasse standen die Fahrgäste - und "Der Heizer, wenn er nicht anders beschäftigt ist, muß sich dicht an der Bremse aufhalten". So stand es in den Regeln der Bahn-Polizei.
Und wären da nicht die aus dem Wuppertale gewesen - die Bahn wäre munter auf ihrer kurzen Stadtverbindung weitergetuckert. Von der Endstation in Elberfeld waren die Züge jedoch entscheidende 80 Höhenmeter entfernt.
Erste Kletterversuche mit Dampfwagen auf dieser Steilstrecke scheiterten bereits nach dem Anhängen von zwei Waggons. Vergleichsweise mäßige 3,3Prozent Steigung waren unüberwindbar.
Der Rest ist Geschichte. Pfiffige Techniker entwickelten die berühmte Seilzuganlage, mit deren Hilfe Züge den Berg heraufgezogen werden konnten. "Der erste Zug fuhr am 21. Mai bis Vohwinkel", weiß Kampschulte.
Ein Modell der Anlage steht im Museum am Ziegeleiweg in Hochdahl. Allerdings wird das Museum erst im April 2009 wieder geöffnet.
140 Jahre lang galt der Hochdahler Berg als die steilste Eisenbahnstraße Europas. "Erst 1926 fuhr der erste Zug mit vier Loks aus eigener Kraft hoch", so Kampschulte. Dieses Jubiläum soll 2016 groß gefeiert werden - im 175. Jahr nach Bezwingung des Berges.