Gruiten: Zufriedenheit als Lebensrezept
Porträt: Mit ihren 91 Jahren ist Elisabeth Schmitz Gruitens älteste Einwohnerin.
Gruiten. "Zufriedenheit", antwortet Elisabeth Schmitz kurz und knapp. "Einfach innere Zufriedenheit", wiederholt sie und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Jede weitere Frage nach dem Rezept, wie sie es geschafft hat, nicht nur so alt zu werden, sondern dermaßen fit zu bleiben, hat sich damit erübrigt. Außerdem weiß sie ganz genau, wovon sie spricht. Schließlich ist Elisabeth Schmitz Jahrgang 1917. Im selben Jahr wurde John F. Kennedy geboren, dankte in Russland Zar Nikolaus II. ab, wurde die legendäre Mata Hari verhaftet.
Am 13. Juli 1917 erblickte sie in Gruiten das Licht der Welt. Ihrer Heimat ist sie bis heute treu geblieben und damit die älteste Einwohnerin im Dorf. "Mich zog es nie aus dieser Idylle weg", sagt die 91-Jährige, deren Familie seit 1903 in dem schmucken Fachwerkhäuschen am Weinberg lebt. "Das, was ich hier gefunden habe, ist gegen nichts einzutauschen: Hier stehen die Menschen füreinander ein, hier wird Nachbarschaftshilfe tagtäglich gelebt."
Wie zum Beweis zeigt sie auf ihre Nachbarin Anneliese Faßbach. Die 71-Jährige von Gegenüber kennt Elisabeth Schmitz schon seit ihrer Geburt. Seitdem "Tante Lisa", wie sie Elisabeth Schmitz immer nannte, das eine oder andere Wehwehchen plagt und auch die Augen nicht mehr so richtig wollen, geht sie ihr zur Hand. In erster Linie sind die beiden aber beste Freundinnen. Jeden Abend um sieben Uhr wird sich getroffen und getöttert.
"Das Meiste macht Elisabeth nach wie vor sowieso selbst", sagt Anneliese Faßbach. Sie kocht und wäscht und fährt jeden Freitag zum Einkaufen ins Städtchen - mit Anneliese Faßbachs Ehemann Horst. Bei schönem Wetter begleitet sie die 91-Jährige zum Familiengarten "oben aufm Berg", mit Blick auf Gruiten und Vohwinkel. "Das geht ganz schön steil rauf. Da benötige ich einen stützenden Arm", sagt Elisabeth Schmitz.
Reisen war früher eine der Leidenschaften von Elisabeth Schmitz. Die ehemalige Verwaltungsangestellte war in Rom, in Israel, ganz oft im Berner Oberland in der Schweiz. Das geht heute nicht mehr. Dennoch verfolgt sie das Weltgeschehen von Gruiten aus weiterhin: via Fernsehen und Zeitung - auch wenn für beides inzwischen eine spezielle Lupenbrille her muss.
Am meisten aber genießt die rüstige Seniorin die Zeit mit der Familie. Elisabeth Schmitz hat zwar nie geheiratet - ihr Lebensgefährte gilt seit dem 2. Weltkrieg als verschollen -, doch eine Großfamilie hat sie trotzdem. So gibt es allein sechs Ur-Nichten und -Neffen. "Wir waren schon immer viele", schmunzelt die 91-Jährige, deren Verhältnis zum Nachwuchs - der jüngste, Henry, ist gerade mal zwei Jahre - das einer Oma zu ihren Enkeln ist.
Sie alle kommen oft zu Besuch oder laden Elisabeth Schmitz ihrerseits ein. Zuletzt an Weihnachten. "Heiligabend war ich in der Nachbarschaft. Am 1. und 2. Feiertag ging es dann in der Familie weiter. Es war wunderbar", strahlt das Ehrenmitglied des Cäcilia-Chores. Zuallererst ging es aber in die Kirche. "Das ist unerlässlich", sagt Elisabeth Schmitz, die in den Gottesdienst-Besuchen einen weiteren großen Halt hat.
Den Silvester-Abend will sie allerdings allein verbringen. "Um Mitternacht proste ich mir dann zu und genieße den Jahreswechsel in aller Stille."