Haan: Da sein, bevor ein Kind zum Fall wird
Die Politik beschloss im Jugendhilfeausschuss, frühe Hilfen für Familien aufzubauen. Laut Stadt geht das nicht ohne zusätzliches Personal.
Haan. "Haan ist nicht die heile Welt", sagt Dagmar Formella. Auch hier werden Kinder von ihren Eltern vernachlässigt, verwahrlosen, weil ihre Mütter oder Väter überfordert sind. "Fälle werden uns aus allen Stadtteilen Haans gemeldet. Das geht quer durch alle Gesellschaftsschichten", sagt die Beigeordnete, die nicht nur für die Finanzen der Stadt, sondern auch für die Bereiche Jugend und Soziales verantwortlich ist.
18 Kinder hat der Bezirkssozialdienst des Haaner Jugendamtes 2007 aus Familien genommen, die mit ihrem Nachwuchs nicht mehr klargekommen sind. Schlimmere Fälle hat es in der Stadt noch nicht gegeben. Aber verhindern ließen sie sich wohl nicht, sagt Jugendamtsleiterin Elke Fischer. Auch wenn der Bezirkssozialdienst jedem gemeldeten Fall nachgeht.
Doch die Stadt möchte noch früher ansetzen, aktiv werden, bevor ein Kind auffällt, bevor es ein Fall wird. Frühe Hilfen für Familien, ein soziales Frühwarnsystem sollen installiert werden.
Klingt theoretisch, hat aber ein praktisches Ziel: Vernachlässigte Kinder unter drei Jahren so früh wie möglich zu finden und zu schützen. "Wir haben zurzeit keine Prävention, kein Netzwerk für den Kinderschutz", sagt Dagmar Formella. Es finde kein regelmäßiger Austausch mit den Schulleitern statt. "Was geschieht im offenen Ganztag? Wo gibt es Auffälligkeiten?" Fragen, auf die sich die Beigeordnete Antworten wünscht - zum Beispiel in Gesprächen mit Schulleitern oder Lehrern.
Aber sie und die Mitarbeiter im Jugendamt wollen nicht nur wissen, wie es den Kindern in den Betreuungsangeboten der Schulen geht. "Wir müssen in die Familien hineingehen", fordert sie. Über Angebote, Hinweise, vielleicht auch Gutscheine, will sie den Eltern Kontakte vermitteln.
Dafür muss ein Netzwerk der verschiedenen Fachkräfte her. Hebammen, Gynäkologen sollen darin ebenso eingebunden werden wie Beratungsstellen für Schwangere und Familien, Kindertagesstätten und Kinderärzte. Das Angebot soll die Betroffenen auch tatsächlich erreichen, den Kindern zu Gute kommen und Diskriminierung vermeiden. Da soll nicht der Eindruck entstehen, es komme "das böse Jugendamt".
Als unterstützendes Element eines Frühwarnsystems schlägt Formella die Einführung sogenannter Begrüßungspakete für Neugeborene und deren Mütter und Väter vor. Dieses Angebot könne als konsequenter Besuchsdienst eingerichtet werden, der Familien nach der Geburt eines Kindes aufsucht.
Fester Bestandteil eines Begrüßungspakets könnten Elternbriefe sein, die Informationen zum Entwicklungsstand des Kindes geben. Dafür sei allerdings eine intensive Vorbereitungsphase mit personeller Verstärkung im Jugendamt sowie ein gute Vernetzungsarbeit notwendig.
Weil auch der Bezirkssozialdienst (fünf Sozialarbeiter teilen sich vier Vollzeitstellen) mit der Bearbeitung von etwa 60 Fällen im Jahr voll ausgelastet sei, zusätzliche Projekte und Aufgaben weder übernehmen noch neue Angebote im präventiven Bereich für Familie ausbauen könne, schlägt die Verwaltung die Schaffung einer zusätzlichen halbe Fachkraftsstelle für den Bereich Prävention sowie die Aufstockung des Bezirkssozialdienst um eine halbe zusätzlichen Stelle vor.