Haan: Die erste große Liebe war der Sohn des Schuldirektors
Zahlreiche ehemalige Schüler und Lehrer erinnerten sich bei dem Gang durch die Grundschule Mittelhaan an ihre Schulzeit.
Haan. "Frau Koehler, sind Sie es?", fragt Carsten Freidank. Er zögert. Wie soll er sich verhalten? Es ist so, als seien die Rollen von damals bis heute gleich verteilt. Vor 40 Jahren war Felicitas Koehler Carsten Freidanks Grundschullehrerin. Gestern standen sie sich wieder gegenüber. Erkannt haben sie sich aber nicht sofort.
Zur Erinnerung: In einer Woche soll das Gebäude der Grundschule Mittelhaan gesperrt - und in der Folge abgerissen werden. Im kommenden Sommer soll dann der Unterricht, so Ute Eden vom städtischen Gebäudemanagement, schon im Neubau abgehalten werden. Vor dem Abriss der Grundschule Mittelhaan gaben das Stadtarchiv, der Bergische Geschichtsverein Haan und das städtische Gebäudemanagement ehemaligen Freunden und Förderern gestern die Chance, die alte Bildungsstätte noch einmal zu besichtigen. Und der Andrang von Besuchern war groß. Einer von ihnen war Bürgermeister Knut von Bovert, der dort ebenfalls zur Schule gegangen ist.
Fotos werden gemacht, Erinnerung an die Schulzeit getauscht. Nachdem Ingeborg Forsthoff-Bauer aus Hilden an diesem Morgen ihre Mutter besucht hat, steht sie jetzt auf dem Teppich eines Klassenraums, den schon Generationen platt getreten haben. Nur gute Erinnerung habe sie an die Schulzeit, sagt die heute 60-Jährige, die 1956 ihre Einschulung feierte. Aus ihrer Handtasche kramt sie ein altes Klassenfoto heraus. "Ich habe die Hoffung, noch alte Klassenkameraden zu treffen", sagt die Hildenerin. Die erste große Liebe? Sie lächelt. Das war passenderweise der Sohn des Schuldirektors.
Auch Felicitas Köhler und Carsten Freidank kommen ins Gespräch. So viele Schüler habe sie in den all den Jahrzehnten unterrichtet. An jedes Gesicht könne sie sich nicht erinnern, aber Carsten, ja, der Name sage ihr etwas. Carsten Freidank freut’s. Tochter Angela (17) und Sohn Tom (10) haben wie er die Schule an der Dieker Straße besucht. Dann knipst Ehefrau Regina Freidank im Lehrerzimmer spontan noch ein Erinnerungsfoto.
Auch wenn Felicitas Koehler vor 15 Jahren in Pension gegangen ist, erinnert sie sich noch rege an die "gute, alte Zeit" an der Grundschule Mittelhaan. Nach jedem Schuljahr zog die Klasse einen Raum weiter. "Das war immer ein Chaos", sagt Koehler. Das ist auch der Grund, warum Carsten Freidank seiner Ehefrau nicht zeigen kann, wo er früher als Schüler Platz nahm.
Es gab einen starken Lehrermangel, als Koehler in den Schuldienst eintrat. Anfang der 1970er-Jahre, nach der Geburt ihres dritten Kindes, flehte sie der damalige Schulleiter an, kurzzeitig auszuhelfen. Aus Tagen wurde Wochen, Jahre und Jahrzehnte - erst 1995 ging Koehler in Pension. Sie lehrte sogar schon an der Schule an der Dieker Straße, als die noch eine reine Volksschule - also mit dem gemeinsamen Unterricht bis zur achten Klasse - war.
Ihre ehemalige Kollegin Gertrud Gessner nickt. In ihrer Lehrerlaufbahn von 1969 bis 1983 unterrichtete sie zeitweise bis zu 50Schüler in einer Klasse - die Jahrgänge waren fünfzügig, so dass manche Klassen in das neu gebaute Gymnasium ausgelagert werden mussten. Gessner: "Es war so eng, dass sogar neben dem Lehrerpult, das auf einem Podest stand, Schulbänke standen."
Wie hat sich der Schulalltag von damals bis heute verändert? "Der Lehrberuf leidet heute an zu viel Bürokratie", findet Koehler. Das erzählen ihr junge Kollegen. "Ich bin nicht Lehrerin geworden, um Protokolle zu schreiben, sondern um Kinder zu unterrichten", sagt Koehler. Die ehemalige Schülerin Ingeborg Forster-Bauer vertritt eine andere Meinung: "Unsere Generation hatte noch Respekt vor der Autorität des Lehrers."