Haan: Nachhilfe in Badehose

Die Grundschule Bollenberg fördert Schüler, die im Wasser nicht zuhause sind.

Haan. Der Lehrplan sieht für Erst- bis Viertklässler drei Stunden Sport pro Woche vor. Davon sollen zwei Stunden ab dem zweiten Schuljahr schwimmend im Wasser verbracht werden. Aber Wasser ist für viele Kinder nicht gerade ein Element, in dem sie sich wohlfühlen.

Teilweise massive Defizite in Sachen Koordination verhindern, dass sich die Kinder im Wasser wohl wie Fische fühlen. Förderung tut Not. Daher gibt es an der Grundschule Bollenberg erstmals entsprechende Förderprojekte.

Ermöglicht werden sie durch eine Kooperation, die Grundschulleiterin Edith Schlaack mit dem Haaner Turnerbund (HTB), namentlich dessen Vorsitzendem Bernd Schlacke, eingegangen ist. Der Mann am Beckenrand heißt Vadim Tsypkin.

Drei Stunden wöchentlich arbeitet er jenseits des regulären Schulunterrichts mit den Kindern. Jessika (10), Tim (8), Lukas (9), Tim (9), Kim-Michelle (10) und Leonie (10) toben im Wasser. Sie üben den korrekten Beinschlag mit Hilfe von Schwimmbrettern, tauchen nach bunten Ringen - und haben sichtlich Spaß.

Zufrieden nickt der Trainer. Er ist sich sicher: Am Ende der Grundschulzeit beherrschen die kleinen Wasserratten die Grundzüge aller vier Schwimmarten, neben Brust- und Rückenschwimmen sind das Kraul und sogar Delfin.

Die sechs aus der Donnerstag-nachmittagstruppe bereiten dem Trainer keinerlei Sorgen mehr. Sie mögen mittlerweile das Wasser und gehören daher zur sogenannten Talentfördergruppe der Grundschule.

Ganz anders sieht es mit den zehn Kindern aus der Freitagvormittagsgruppe aus. Obwohl im gleichen Alter, können deren Mitglieder noch gar nicht schwimmen. "Ich fördere jedes Kind individuell", sagt Tsypkin.

In diesem Fall bedeutet dies, dass der gebürtige Russe mit "viel Geduld und Fingerspitzengefühl" herausfinden muss, warum das Kind Angst vor Wasser hat, was der Grund der Koordinationsschwierigkeiten ist.

Bei Kindern mit Migrationshintergrund spielen häufig religiöse Gründe eine Rolle, die es Mädchen verbieten, sich im Badeanzug zu zeigen, wie Grundschulleiterin und Schwimmtrainer wissen.

Für diese Fördergruppe lautet das Ziel, bis Weihnachten die Kleinen fit für ihr erstes Schwimmabzeichen, das so genannte Seepferdchen, zu machen.

Seit vier Monaten arbeitet Vadim Tsypkin mit diesen Kindern. Einigen traut er bereits jetzt zu, das Abzeichen zu schaffen. Aber weil er weiß, wie motivierend das gemeinsame Üben ist, will er seine Eleven erst zum Christfest die Prüfung machen lassen.

Wer seine Ziele in der Fördergruppe erreicht hat, scheidet aus und macht Platz für andere. "Wenn sie die Schule verlassen, können über 90 Prozent unserer Kinder schwimmen", sagt Edith Schlaack stolz.