Hochdahl: Das Abitur auf 211 Seiten
Der ehemalige Lehrer Rainer Bölling hat die Geschichte des Schulabschlusses von 1788 bis heute zu Papier gebracht.
Hochdahl. Generationen von Hochdahler Schülern haben bei ihm ihre Abitur-Klausuren geschrieben: Rainer Bölling. Jetzt kehrte der ehemalige Latein- und Geschichtslehrer trotz Pensionierung noch einmal zum Gymnasium Hochdahl zurück. Grund ist das Erscheinen seines gerade zu Ende geschriebenen Buches. "Die kleine Geschichte des Abiturs" heißt es und ist beim Ferdinand Schöningh Verlag erschienen.
"Ich habe geforscht und herausgefunden, dass es zur Geschichte des Abiturs so gut wie nichts gibt", sagt der 65-Jährige - besonders nicht für so einen großen Zeitraum: Das Buch erzählt von den ersten Abiturregeln in Preußen 1788 bis zur Oberstufenreform in den 1970er-Jahren. Auch aktuelle Themen wie das Zentralabitur und die Schulzeitverkürzung werden behandelt.
Die Informationen, die er sich aus unterschiedlichen Schularchiven heraussuchte, lassen die Leser staunen. Konrad Adenauer gab beispielsweise nach lebenslangen Schuldgefühlen und Bauchschmerzen zu, beim Abitur geschummelt zu haben: Die ihm gestellten Aufgaben kannte er bereits vorher.
Hört man die Abiturienten von heute klagen, wie viel sie lernen müssen, so zeigt das Buch, dass es auch anders geht: Nicht nur mussten sich Schüler des Humanistischen Gymnasiums bis 1972 in den Fächern Mathe und Deutsch prüfen lassen. Auch Griechisch und Latein waren Voraussetzung. Und ein Schnitt besser als 3,0 war utopisch, denn "obwohl die Klausuren teilweise fehlerfrei waren, waren sie höchstens gut. Einsen waren wohl für übermenschliche Fähigkeiten gedacht", schmunzelt der promovierte Lehrer Bölling.
Auch die Anzahl an Abiturfächern ist gesunken. "Es gibt nicht mehr eine solche Menge an Stoff. Damals mussten die Jugendlichen sieben Abiturklausuren in einer Woche schreiben." Das gäbe heutzutage wohl einen Aufschrei unter den Jungen und Mädchen, die ihr Lexikon mit in die Englischklausur bringen dürfen. Was vielen Schülern mit Grausen in Erinnerung geblieben ist, war für den Autor wichtiger Teil seiner Recherche: Er musste sich durch Berge von Lateinklausuren arbeiten.
Das Buch thematisiert und analysiert auch die Zeit des Zweiten Weltkriegs. "Völlig kritiklos wurden Menschen wie Hindenburg gelobt", erzählt Rainer Bölling mit verärgerter Stimme. "Denn Kritik an dem Regime war nicht erwünscht." Ein alter naturwissenschaftlicher Text bringt Bölling dann wieder zum Lachen: "Der Mensch und das Wasser" beschreibt auf anschauliche Weise, wie der Mensch das Wasser nutzen kann.
"Die kleine Geschichte des Abiturs" wendet sich nicht nur an alle Geschichtsinteressierten, sondern auch an die Abiturienten, die kurz vor der Klausur-Phase stehen - und denen die Lektüre bestätigen soll, dass sie es eigentlich doch gut haben.