Mettmanner Autorin schreibt Jugendroman Warum es für Petra Postert flussabwärts nach oben geht
Mettmann · Leichtfüßig, fantasievoll und wunderbar erzählt: Petra Postert legt mit ihrem neuen Buch einen Jugendroman vor. Der ist auch für Erwachsene lesenswert und erklärt, warum Ochsen schlauerweise Lederschuhe tragen.
Fürs Radio schreibt sie Kindergeschichten und auch als Autorin ist die Jugendliteraturpreisträgerin Petra Postert längst ein Begriff. Jetzt hat die Wahl-Mettmannerin einen neuen Kinder- und Jugendroman verfasst. „Flussabwärts nach Amerika“ ist eine Reise in die Vergangenheit, in deren Mittelpunkt zwei Außenseiter, ein Fluss sowie ein Schwein stehen. „Es ist eine Art Roadmovie geworden“, beschreibt die Autorin. „Noch nie habe ich mir so viel Arbeit gemacht und so gründlich recherchiert“, denn im Ergebnis wollte sie eine Geschichte erzählen, die „nicht wahr, aber wahrhaftig sein muss“.
Es geht zurück ins Jahr 1790 irgendwo an den Rhein. Jacob lebt bei einem Fischer, der so etwas wie sein Adoptivvater ist. Sein Nenn-Bruder Georg ist nach Amerika abgehauen, in jener Zeit echter Sehnsuchtsort vieler Auswanderer – vor allem deutscher. Jacob will auch weg, raus aus dem Dorf, raus aus Not und Elend, und auf seiner Suche nach Freiheit trifft er Amie. Auch sie ist eine Außenseiterin, genau wie Jacob und doch ganz anders. Gemeinsam ziehen sie los, schlagen sich durch und erleben unglaubliche Geschichten.
Moderne Themen in
historischem Gewand
„Die Themen sind absolut heutig“, sagt Petra Postert über in „Flussabwärts ...“ vorkommende Aspekte wie Migration, klimatische Irrungen nasskalter Sommer mit todbringenden Überschwemmungen oder die vielen Pandemien und Epidemien, die in der Zeit unendlich vieler Kriege die Leute dahinrafften. „Damit ging es schon mal los“, beschreibt die Autorin einen literarischen Kniff als Grundidee des Buches, „ich wollte meine beiden Helden jenseits von Kriegen reisen lassen“. Im Versuch, historisch korrekt zu sein, war es nicht leicht, ein entsprechendes Zeitfenster zu finden: Die Liste von Kriegen und Schlachten im 18. Jahrhundert ist lang. Und nicht nur deshalb waren viele Menschen auf der Flucht, also in Bewegung.
„Es ist verblüffend, wer damals alles unterwegs war“, sagt sie über ein Phänomen der Zeit. Um Armut und Not hinter sich zu lassen, versuchten viele auszuwandern. Tagelöhner waren unterwegs, hier oder da einen Job zu ergattern. Auf den Straßen tummelten sich außerdem haufenweise Banden – oft mit Frauen als Anführerinnen. In „Flussabwärts ...“ ist Rosina, die Mutter von Amie, eine solche Räuberin, natürlich mit sozialen Ambitionen.
Historisch korrekt wollte Petra Postert möglichst auch in der gesprochenen Sprache, also bei den Dialogen sein. „Der Alltag im 18. Jahrhundert ist nicht genau dokumentiert, aber bei Gerichtsverhandlungen war man protokollarisch genau unterwegs“. Diese alten Akten, die Petra Postert in Vorbereitung zum Buch studierte, halfen dann bei Wortwahl und Syntax, „das war schon eine Herausforderung“. Anders als in der endgültigen Buchfassung waren die vorangegangenen Varianten „viel deskriptiver und mit viel weniger Dialogen“. Und dass nach einem Beutezug wie im Buch geschildert einem geklauten Ochsen Schuhe übergestreift werden, „das habe ich mir nicht ausgedacht“, das ist ebenfalls einem Gerichtsprotokoll entnommen: Mit den Stiefeln getarnt, hinterließ das Tier keine typischen Spuren.
„Meine ursprüngliche Inspiration war der Rhein“, erklärt sie den eigentlich Helden, er mäandert mit prominenter Stimme durch die Geschichte, verbindet Landschaften und Zeiten. „Er ist das unendliche Gedächtnis“, auch hierfür ist Petra Postert ins Detail gegangen und war tagelang mit einem Fischer in einem Naturschutzgebiet am Rhein unterwegs. „Da war es noch immer so wie vor 250 Jahren“ und damit sozusagen die Kulisse für Heimat und Umfeld ihres jungen Helden: Ein unbegradigter Wildstrom, auf dem Jacob in einem Fischerkahn nach Rotterdam und von dort auf einem der riesigen Auswandererschiffe gen Amerika will. Anno 1790 allerdings ist das ein waghalsiger Plan, und als der Held auf seinem Weg Richtung Holland zwischen Mainz und Köln zwei „gebildeten Herren“ begegnet, sind das der Naturforscher, Schriftsteller, Zeichner und Übersetzer Georg Forster mit dem noch unbekannten Forscher Alexander von Humboldt. Auch das ein toller literarischer Kniff
Nach dem Buch ist vor dem Buch, ein bisschen „melancholisch ist es, die Figuren nun gehen zu lassen. Ich weiß ja noch viel mehr über sie als im Buch zu lesen ist.“ Zwischendurch, so gibt Petra Postert zu, hatte sie beim Schreiben Momente, in denen „ich dachte, ich schaffe es nicht. Die Figuren verschwanden quasi im Dickicht.“ Jetzt ist das Buch publiziert, anlässlich des Festivals „Wasserwerke“ steht die erste Lesung bevor. Zur Premiere Samstag ist Lili Vanryne mit der Harfe an ihrer Seite – Musik und Text verflechten sich miteinander und werden zum ruhig plätschernden Fluss.